Geschäftsführerhaftung in der Insolvenz
Hintergrund
Dem Urteil des OLG Düsseldorf liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Beklagte war von August 2015 bis Anfang Oktober 2015 Geschäftsführer einer später insolventen GmbH. In der Zeit davor und auch danach war der Alleingesellschafter der GmbH ihr alleiniger Geschäftsführer. Die GmbH erweiterte im August ihr Geschäftsfeld und in diesem Zuge übernahm der Beklagte die Geschäftsführung. Dabei konnte der Beklagte vier Investoren für die Schuldnerin gewinnen, die insgesamt einen Betrag von EUR 130.000,00 investierten. Weitere Kenntnisse über die finanzielle Situation hatte der Beklagte nicht; auch weil der Alleingesellschafter und bisherige Geschäftsführer die Herausgabe der Buchhaltungsunterlagen verweigerte. Aufgrund der Einzahlungen durch die Investoren, führte der Beklagte die Geschäftstätigkeit – trotz mangelnder Kenntnisse über die allgemeine Liquiditätslage der GmbH – fort und tätigte in der Folgezeit Zahlungen in Höhe von insgesamt EUR 78.150,00. Da der Alleingesellschafter dem Beklagten auch nach drei Monaten keinen Einblick in die Buchhaltungsunterlagen gewährte, legte der Beklagte schließlich sein Amt als Geschäftsführer zum 6.10.2015 nieder. Im Januar 2016 stellt die GmbH Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der klagende Insolvenzverwalter verlangt nun vom Beklagten die Zahlung von EUR 78.150,00, da diese Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit erfolgt seien und der Beklagte hierfür als Geschäftsführer hafte.
Das Urteil des OLG Düsseldorf vom 9.12.2021, Az. 12 U 23/21
Das Landgericht hatte der Klage des Insolvenzverwalters in vollem Umfang stattgegeben. Auch das OLG Düsseldorf wies die Berufung als überwiegend unbegründet zurück und bestätigte die Haftung des Beklagten. Nach § 64 S. 1 GmbHG a.F. hafte der Geschäftsführer für sämtliche Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife (somit Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) noch getätigt werden. Etwas anderes gelte nur, wenn der Geschäftsführer – trotz Eintritt der Insolvenzreife – noch mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gehandelt habe. Dabei sei es grundsätzlich gleich, (i) was mit den Zahlungen beglichen wurde; es komme nur auf eine Schmälerung des Vermögens oder einer Steigerung der Verbindlichkeiten an, oder (ii) ob eine Weisung des Gesellschafters vorgelegen habe. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass er keine Kenntnis von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit haben konnte, da ihm Unterlagen vorenthalten wurden. Einem neuen Geschäftsführer sei zwar eine gewisse Einarbeitungszeit zuzugestehen, aber nicht für einen so langen Zeitraum. Ein Geschäftsführer müsse für eine Organisation sorgen, die ihm die Wahrnehmung seiner Geschäftsführerpflichten ermögliche. Wird ihm dies durch die Gesellschafter unmöglich gemacht, müsse er sein Amt frühzeitig niederlegen.
Anmerkung
Die Sorgfaltspflichten eines GmbH-Geschäftsführers sind im Allgemeinen bereits sehr hoch. Kommt bei der Gesellschaft eine finanzielle Krise hinzu, verschärft sich der Maßstab weiter. Tritt bei der Gesellschaft Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein, ist der Geschäftsführer verpflichtet, unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen. Tut er dies nicht, bestehen erhebliche Haftungsrisiken. Insbesondere haftet der Geschäftsführer für sämtliche Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife (somit Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) noch getätigt werden. Eine Exkulpation von dieser Haftung ist nur in wenigen Ausnahmefällen möglich. So lässt eine Weisung der Gesellschafter die Haftung nicht entfallen, denn diese dient dem Schutz der Gläubiger. Auch auf die Unkenntnis von der Insolvenzreife kann sich der Geschäftsführer nicht berufen. Denn das Gesetz erwartet von einem Geschäftsführer, dass er die Unternehmensorganisation so besorgt, dass ihm die Wahrnehmung seiner Geschäftsführerpflichten möglich ist. Dies gilt selbst dann, wenn – wie hier – der Alleingesellschafter die relevanten Unterlagen zurückhält und der Geschäftsführer dadurch seinen Pflichten nicht nachkommen kann. Die Empfehlung des Gerichts (rechtzeitige Amtsniederlegung des Geschäftsführeramts) bezieht sich daher auch genau auf diesen Ausnahmefall und kann nicht allgemein verstanden werden.
Der dem Urteil zugrundeliegende Fall mag ein Ausnahmefall sein. Er zeigt jedoch, dass das Amt als Geschäftsführer nicht leichtsinnig angenommen werden sollte. Denn der Pflichtenkreis eines Geschäftsführers richtet sich nicht nach den persönlichen Fähigkeiten oder Umständen. Vielmehr wird erwartet, dass ein Geschäftsführer seine Aufgaben wie ein „ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter“ erledigt und dadurch in der Lage ist, sämtliche gesetzlichen Vorschriften einzuhalten; zu diesen gehört auch die rechtzeitige Stellung eines Insolvenzantrags.
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