Fusionskontrolle bei Miete, Pacht und Leasing
Eine fusionskontrollrechtliche Anmeldepflicht für langfristige Gebrauchsüberlassungsverträge erläutert das Bundeskartellamt an dem Fallbericht zum Beschluss Lufthansa/Air Berlin vom 30.01.2017.
Hintergrund
Das angemeldete Zusammenschlussvorhaben betraf einen sog. Wetlease-Vertrag zwischen Lufthansa und Air Berlin. Danach überlässt Air Berlin der Lufthansa 38 Passagierflugzeuge samt Cockpit-Crew und Kabinenpersonal an deutschen und österreichischen Flughäfen. Der Vertrag hat eine Laufzeit von sechs Jahren mit Verlängerungsoption. Die operative Verantwortung für Flugbetrieb, Crew-Planung, Wartung, Schäden Dritter und Versicherung verbleibt beim Wetlease-Geber Air Berlin. Air Berlin hat die Flugzeuge wiederum von verschiedenen Leasinggebern ohne zusätzliche Dienstleistungen (sog. Drylease) geleast. Langfristig soll Lufthansa bis zu 25 Flugzeuge von Air Berlin übernehmen, bis zu 15 durch Kauf und bis zu 10 durch den Abschluss von Drylease-Verträgen.
Auffassung der EU-Kommission
Da aufgrund ihrer Umsätze eigentlich der Anwendungsbereich der EU-Fusionskontrolle eröffnet war, hatten Lufthansa und Air Berlin das Vorhaben zunächst der EU-Kommission angezeigt. Die Kommission war jedoch der Auffassung, dass der Wetlease-Vertrag mangels Kontrollerwerb (Art. 3 FKVO) keinen Zusammenschlusstatbestand erfülle und sie daher nicht zuständig sei.
Auffassung des Bundeskartellamts
Vorsorglich meldeten Lufthansa und Air Berlin das Vorhaben auch zum Bundeskartellamt an, obwohl sie vortrugen, dass es sich um eine reine Gebrauchsüberlassung handele, die keinen Zusammenschlusstatbestand begründe.
Nach Ansicht des Bundeskartellamts spricht in der vorliegenden Konstellation jedoch einiges für die Annahme eines Vermögenserwerbs nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB. Danach ist ein Zusammenschluss anmeldepflichtig, bei dem ein Unternehmen das Vermögen eines anderen ganz oder zu einem wesentlichen Teil erwirbt.
Das Bundeskartellamt argumentiert, ein Vermögenserwerb setze nicht zwingend den Erwerb des Vollrechts voraus. Außerdem sei der Leasingvertrag atypisch lang und übersteige den Streckenplanungshorizont von Fluggesellschaften.
Der erworbene Vermögensteil sei auch wesentlich, weil Lufthansa fast ein Viertel der Flotte von Air Berlin übernehme und dadurch selbst einen Flottenzuwachs von 7% erreiche. Dies genüge für einen Übergang der Marktstellung von Air Berlin auf Lufthansa, der durch die angestrebte Übernahmevereinbarung zusätzlich abgesichert werde. Auch der Erwerb von Teilkontrolle nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB komme in Betracht.
Da das Bundeskartellamt gegen das Vorhaben keine wettbewerblichen Bedenken hatte, konnte es letztlich eine abschließende Entscheidung über das Vorliegen eines Zusammenschlusstatbestands offenlassen und das Vorhaben freigeben.
Vermögenserwerb bei Einräumung von Nutzungsrechten
Die Entscheidung zeigt, dass ein anmeldepflichtiger Vermögenserwerb nicht zwingend die Übertragung des Vollrechts verlangt. Auch die Einräumung von Gebrauchs- oder Nutzungsrechten kann einen Vermögenserwerb darstellen, wenn der Übertragende selbst nur ein Nutzungsrecht hat und dieses vollständig überträgt.
Dies kann bei einem Leasing-Vertrag der Fall sein, aber auch bei der Übernahme von Mietverträgen für Gewerbeimmobilien und bei Betriebsführungs- und Managementverträgen, z.B. in Krankenhäusern oder im Hotelgewerbe.
Unklar bleibt nach den Andeutungen des Bundeskartellamts, ob ein Vermögenserwerb bei der Übertragung von Nutzungsrechten nur bei vollständiger Übertragung in Betracht kommt oder tatsächlich auch wie beim Wetlease-Vertrag von Lufthansa und Air Berlin durch Übertragung nur des größten Teils der Nutzungsrechte. Offen ist auch, wann die Einräumung von Nutzungsrechten zu einem (Teil‑) Kontrollerwerb führt.
Praxisempfehlung
Bei Zweifeln über das Bestehen einer Anmeldepflicht und gleichzeitiger Überschreitung der maßgeblichen Umsatzschwellenwerte der beteiligten Unternehmen ist eine informelle Abklärung mit der zuständigen Beschlussabteilung zu empfehlen. Kann eine Anmeldepflicht nicht sicher ausgeschlossen werden, sollten die Beteiligten den geplanten Zusammenschluss vorsorglich anmelden. Fusionsanmeldungen verursachen zwar Zeit- und Kostenaufwand, bringen den Zusammenschlussbeteiligten aber die notwendige Rechtssicherheit, denn der Vollzug ohne erforderliche Freigabe ist zivilrechtlich unwirksam. Bei Missachtung der fusionskontrollrechtlichen Anmeldepflicht drohen nicht nur empfindliche Bußgelder, sondern vor allem die Rückabwicklung eines längst vollzogenen Zusammenschlusses.
Rechtsanwältinnen Dr. Barbara Mayer, Stephanie von Riegen, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
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