Kartellrechtswidrige Wettbewerbsverbote Gemeinschaftsunternehmen

Schließen sich Wettbewerber in der Absicht zusammen, sich dauerhaft gemeinschaftlich um Aufträge in unbestimmter Zahl zu bemühen, bilden sie keine kartellrechtsneutrale Bieter- oder Arbeitsgemeinschaft, sondern ein Gemeinschaftsunternehmen.

Hintergrund

Die Antragstellerin handelt auf dem Gebiet der Fördertechnik und erbringt u.a. Wartungsdienstleistungen für Rolltreppen. Ihre - ursprünglich fünf - Gesellschafter waren und sind auch neben der Antragstellerin auf dem Gebiet der Fördertechnik tätig und verfolgten mit der Gründung der Antragstellerin das Ziel, bundesweit tätige Großkunden besser betreuen zu können.  Die Gründungsgesellschafter vereinbarten im Gesellschaftsvertrag ein Wettbewerbsverbot, nach dem die Gesellschafter für die Dauer von zwei Jahren nach ihrem Ausscheiden keine Aufträge von Auftraggebern übernehmen dürfen, die während der letzten drei Jahre zum Kundenstamm der Gesellschaft gehörten. Als eines der Gründungsunternehmen aus der Gesellschaft ausschied und anschließend einen Wartungsvertrag mit einem Kunden der Antragstellerin schloss, stritten die Parteien gerichtlich über die Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots.

Der Beschluss des OLG Düsseldorf, 1. Kartellsenat, vom 15.05.2019, Az. W (Kart) 4/19

Der 1. Kartellsenat des OLG Düsseldorf bestätigte die Entscheidung des Landgerichts, das das Wettbewerbsverbot als kartellrechtswidrig eingestuft und damit für nichtig erklärt hatte. Bei der Antragstellerin handele es sich um ein kartellrechtswidriges Gemeinschaftsunternehmen, so dass auch das satzungsmäßige Wettbewerbsverbot nichtig war.

Die Antragstellerin hatte vorgetragen, sie sei eine kartellrechtlich neutrale Arbeitsgemeinschaft. Sind Unternehmen zu einer selbstständigen Teilnahme an einer Ausschreibung oder zu einer selbstständigen Auftragserfüllung aufgrund ihrer betrieblichen oder geschäftlichen Verhältnisse (mangelnde Kapazitäten, technische Einrichtungen und/oder fachliche Kenntnisse) nicht in der Lage oder ist ein selbständiges Agieren aufgrund objektiver betriebswirtschaftlicher Kriterien jedenfalls wirtschaftlich nicht zweckmäßig oder kaufmännisch nicht vernünftig, können sie sich in einer Bieter- oder Arbeitsgemeinschaft zusammenschließen. Dies gilt nicht nur für Unternehmen verschiedener Branchen, sondern auch für potentielle Wettbewerber. In solchen Fällen wird durch die Zusammenarbeit der Wettbewerb nicht nur nicht beschränkt, sondern aufgrund des gemeinsamen Angebots sogar gestärkt, so dass kein Verstoß gegen das Kartellverbot vorliegt.

Dieser Arbeitsgemeinschaftsgedanke war aus Sicht des Kartellsenats jedoch nicht auf die Antragstellerin anwendbar, weil ihre Gesellschafter sich zusammengeschlossen haben, um sich dauerhaft gemeinschaftlich um Aufträge bundesweit agierender Auftraggeber in unbestimmter Anzahl zu bemühen. Die Dauerhaftigkeit des Zusammenschlusses zu dem Zweck, Großaufträge in prinzipiell unbestimmter Zahl gemeinsam zu akquirieren, ergebe sich aus der Organisationsform der GmbH, ihrem Bestehen seit 2006 und der Vielzahl der Kunden. Im Unterschied dazu seien Bieter- und Arbeitsgemeinschaften gerade nicht auf Dauer angelegte Gesellschaften, sondern Gelegenheitsgesellschaften auf Zeit für eine sachlich begrenzte Leistung wie eine bestimmte Ausschreibung und die Auftragserfüllung im Einzelfall (Bauvorhaben, industrieller Großauftrag). Sie seien deshalb regelmäßig in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisiert mit dem Zweck der Verwirklichung einer einzelnen, konkreten Aufgabe.

Auf Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, Aufträge über eine gewisse Größe grundsätzlich dauerhaft nur gemeinsam auszuführen, sei die Rechtsprechung über die Zulässigkeit einer Bieter- und Arbeitsgemeinschaft nicht übertragbar. Die Antragstellerin sei vielmehr ein Gemeinschaftsunternehmen ihrer Gesellschafter. Da die Gesellschafter und die Antragstellerin nicht auf verschiedenen räumlichen Märkten – die Antragstellerin auf dem bundesweiten und die Gesellschafter auf regionalen –, sondern auf demselben bundesweiten räumlichen Markt tätig seien und sich die Muttergesellschaften über die Antragstellerin in ihrem Marktverhalten koordinierten, sei das Gemeinschaftsunternehmen kartellrechtswidrig.

Anmerkung

Trotz des Kartellverbots lässt das Kartellrecht Spielraum für diverse Unternehmenskooperationen, die  zur Kombination von Know-How und Ressourcen aus der Wirtschaft nicht wegzudenken sind. Wollen Unternehmen gemeinsam an einer Ausschreibung teilnehmen oder einen Auftrag erfüllen, ist zunächst zu prüfen, ob sie eine Arbeits- oder Bietergemeinschaft bilden. Zentrale Fragen sind, ob durch die Kooperation die Abgabe eines Angebots bzw. die Auftragserfüllung überhaupt erst möglich wird und die konkrete Zusammenarbeit wirtschaftlich zweckmäßig und kaufmännisch vernünftig ist und ob es sich um eine einmalige Zusammenarbeit für ein bestimmtes Projekt handelt. Ist dies zu bejahen, sollten die Beteiligten dennoch im Verlauf Ihrer Zusammenarbeit im Blick behalten, dass sie bei Ausweitung der Zusammenarbeit auf weitere Projekte von einer Arbeitsgemeinschaft in ein Gemeinschaftsunternehmen übergehen und die kartellrechtliche Zulässigkeit erneut prüfen müssen.

Zwar sind auch Gemeinschaftsunternehmen nicht per se kartellrechtswidrig. Dies gilt einschränkungslos für sog. konzentrative Gemeinschaftsunternehmen, die sämtliche Funktionen eines selbstständigen Unternehmens erfüllen und auf dessen Märkten die Muttergesellschaften nicht (mehr) tätig sind. Sie unterliegen nur der Fusionskontrolle, sofern die Anteils- und Umsatzschwellen überschritten sind. Sind die Muttergesellschaften dagegen auch auf den Märkten des Gemeinschaftsunternehmens oder auf benachbarten Märkten tätig, so ist die Zulässigkeit der Kooperation zusätzlich zur Fusionskontrolle auch im Hinblick auf das Kartellverbot zu prüfen.


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