Keine DSGVO-Abmahnwelle, aber dubiose Abmahnversuche und ein Gesetzentwurf
Da seit der vollen Geltung der DSGVO zum 25.5.2018 insbesondere KMU, gemeinnützige Organisationen und Vereine nicht ganz zu Unrecht befürchten, von Abmahnanwälten auf der Grundlage der noch neuen und nicht korrekt umgesetzten Datenschutzregeln mit Abmahnungen überzogen zu werden, will nun der Gesetzgeber aktiv werden.
Gesetzenwurf gegen Abmahnmissbrauch
Der Gesetzentwurf des Justizministeriums sieht verschiedene Maßnahmen vor, um missbräuchliche Abmahnungen einzudämmen:
- Aufwendungsersatz soll für Mitbewerber und qualifizierte Wirtschaftsverbände bei unerheblichen Verstößen entfallen
- Es soll, ähnlich wie bei der Musterfeststellungsklage, höhere Anforderungen an die Befugnis zur Geltendmachung von Ansprüchen geben
- die finanzieller Anreize für Abmahnungen sollen gesenkt werden
- Gegenansprüchen sollen einfacher geltend gemacht werden können.
Auf Antrag der Koalitionsfraktionen hat der Bundestag die Regierung aufgefordert, direkt nach der parlamentarischen Sommerpause am 1. September einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Abmahnmissbrauchs vorzulegen.
Es wurde auch bereits im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, den Missbrauch des Abmahnrechts z. B. durch die Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes zu verhindern.
Vor allem kleine Gewerbetreibende sind bislang zum Ziel fragwürdiger Abmahnversuche aufgrund von echten, vermeintlichen oder auch nur wild unterstellten Verstößen gegen die Vorgaben der Datenschutzverordnung (DSGVO) geworden.
Lukrative DSGVO-Abmahnkosten bis zu 12.000 EUR
Nach Recherchen des Politikmagazins Kontrovers versuchten Abmahnanwälte bereits, bei vielen Gewerbetreibenden Strafen im Bereich zwischen 200 und 12.000 EUR einzutreiben. In etlichen Fällen sind jedoch zumindest starke Zweifel angebracht, ob die Abmahnungen überhaupt zurecht erfolgt sind.
- U. a. berichtet das Magazin etwa über den Fall, in dem eine Augsburger Anwaltskanzlei die Inhaberin eines Friseursalons in München drei Tage nach Inkrafttreten des DSGVO abmahnte und zur Zahlung von 700 EUR sowie zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufforderte, weil auf der Website des Friseursalons die notwendige Datenschutzerklärung fehlte.
- Dies stelle ein Wettbewerbsvorteil gegenüber einer Konkurrentin dar, die deshalb die Abmahnung in Auftrag gegeben habe.
Dass das Fehlen einer Datenschutzerklärung zweifellos gegen die DSGVO verstößt, ist unbestreitbar, allerdings stellt sich selbst in diesem Fall die Frage, ob die Abmahnung rechtens ist, denn die Abmahnende betreibt einen Kosmetiksalon in Hamburg und es bestehen daher berechtigte Zweifel, ob diese daher überhaupt als Wettbewerberin zur Abgemahnten angesehen werden kann. Auch die Frage, ob es sich bei DSGVO-Verstößen um UWG-Verletzungen handelt, ist noch nicht geklärt.
Augsburger DSGVO-Rundumschlag gegen Friseure im ganzen Bundesgebiet
Jenseits dieser Rechtsfragen erklärte auf Anfragen der Kontrovers-Redaktion die Hamburger Kosmetikerin zudem, dass sie von den Abmahnungen nichts wisse. Weitere Recherchen ergaben, dass es sich hierbei nicht um einen Einzelfall handelte, sondern die Augsburger Kanzlei Friseure im gesamten Bundesgebiet abgemahnt hatte. Die abgemahnte Friseurin München hat die Angelegenheit mittlerweile ihrem Anwalt übergeben, dessen Kontaktversuche mit der abmahnenden Kanzlei jedoch erfolglos blieben.
DSGVO-Einsteiger-Abmahnung: Identische einfach gestrickte Abmahnschreiben ins Blaue
In einem anderen Fall hat eine Dortmunder Anwaltskanzlei etliche sehr ähnliche Abmahnschreiben an Website-Betreiber versendet.
- Als Grund für die Abmahnung wurde darin angeführt, dass auf den Websites zu viele Daten über die Besucher der Seiten gesammelt würden.
- Die Abgemahnten sollten einer Unterlassungserklärung abgeben
- und wurden zur Zahlung von 200 EUR aufgefordert.
Einer der so Abgemahnten, ein Privatmann aus Landshut, der nebenberuflich eine Website betreut, wandte sich an eine Verbraucherzentrale, die ihm jedoch die korrekte Einhaltung der Datenschutzvorgaben bestätigte. Die in dem Schreiben enthalten Vorwürfe träfen gar nicht auf die Website zu und daher könne auch nicht von einer Rechtsverletzung die Rede sein. Die Abmahnung sei daher offensichtlich rechtsmissbräuchlich.
Rückabmahnung an rechtsmissbräuchliche DSGVO-Abmahnungen
Auch die Dortmunder Anwälte hatten gleich zahlreiche Websites abgemahnt. So hatte etwa ein Leipziger Apotheker ein Abmahnschreiben erhalten, das nahezu identisch zu dem des Falles aus Bayern war. Der Apotheker hatte sich gleich an seinen Anwalt gewandt, der seinerseits die Dortmunder Kanzlei wegen rechtsmissbräuchlicher Abmahnung abmahnte.
Versuchsballon? Zurückgezogene DSGVO-Abmahnungen
Auch andere Rechtsexperten halten diese Abmahnungen der Dortmunder Kanzlei für unseriös und amateurhaft und berichten darüber, dass diese nach Zusendung eines „deutlichen“ Schriftsatzes zurückgezogen wurden.
Wie weit verbreitet die Abmahnungen aufgrund von Verstößen gegen die DSGVO tatsächlich sind, lässt sich derzeit kaum seriös abschätzen.
Hohe Dunkelziffer von Abgemahnten?
Experten gehen allerdings von einer hohen Dunkelziffer aus, da viele Betroffene bereit sein dürften, die Unterlassungserklärungen abzugeben und die Zahlungen zu leisten. Wie die angeführten Beispiele allerdings zeigen, ist dies nicht der richtige Weg.
- In jedem Fall sollten sich Betroffene vor einer Zahlung zunächst juristisch beraten lassen, denn längst nicht immer handelt es sich um berechtigte Abmahnungen.
- Das Geschäftsmodell der Abmahner sieht oftmals vor, lediglich das Geld bei eingeschüchterten und zahlungsbereiten Abgemahnten einzutreiben, während die Forderungen bei Betroffenen, die sich gegen die Abmahnung zur Wehr setzen, meist gar nicht weiterverfolgt werden.
- Besser ist es natürlich immer, sich an die Vorgaben der DSGVO zu halten, um Abmahnern erst gar keine Chancen zu geben oder bei unberechtigten Abmahnungen in jedem Fall auf der sicheren Seite zu sein.
Neue DSGVO-Abmahnregelung soll bald für Klarheit sorgen
Da seit der vollen Geltung der DSGVO zum 25.5.2018 insbesondere KMU, gemeinnützige Organisationen und Vereine nicht ganz zu Unrecht befürchten, von Abmahnanwälten auf der Grundlage der noch neuen und nicht korrekt umgesetzten Datenschutzregeln mit Abmahnungen überzogen zu werden, soll und will nun der Gesetzgeber aktiv werden. Allerdings konnte sich der Bundestag nicht einigen, ein entsprechendes Gesetz noch in das Gesetz zur Musterfeststellungsklage zu integrieren.
Bayern legt vor: Gesetze zur Anpassung zivilrechtlicher Vorschriften an die DSGVO
Auch der Bundesrat hat bereits am 6.7. über ein vom bayerischen Ministerpräsidenten eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung zivilrechtlicher Vorschriften an die DSGVO beraten. Anpassungen im Zivilrecht sollen das Datenschutzrecht ausdrücklich und generell aus dem Anwendungsbereich des UWG herausnehmen. Dem § 3 UWG soll ein Satz angehängt werden,wonach DSGVO-Vorschriften nicht erfasst werden.
Allerdings könnte es koalitionsintern schwierig werden, Datenschutzbestrebungen und den Schutz der Wirtschaft einer einvernehmlichen gesetzlichen Interessenabwägung zuzuführen.
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