Satzung kann Hauptversammlung im Ausland ermöglichen
Hintergrund
Die Satzung einer Societas Europea (SE) mit Sitz in Deutschland sah vor, dass die Hauptversammlung außer am Gesellschaftssitz auch in einer anderen Stadt innerhalb der EU mit mehr als 500.000 Einwohnern oder dem Sitz einer Wertpapierbörse stattfinden kann.
BGH, Urteil v. 21.10.2014, II ZR 330/13
Der BGH entschied, dass die Satzung einer Aktiengesellschaft oder SE mit Sitz in Deutschland auch die Durchführung einer Hauptversammlung im Ausland ermöglichen kann. Jedoch muss die Satzung die Auswahl des Versammlungsortes nach sachgerechten, an den Interessen der Aktionäre ausgerichteten Kriterien einschränken. Es darf z.B. nicht die Wahl unter einer großen Zahl geographisch weit auseinanderliegender Orte bestehen. Daher hielt der BGH die Bestimmung im entschiedenen Fall für zu weitgehend, da sie die Auswahl unter mehr als 60 Städten eröffnete.
Anmerkung
Bisher war umstritten, ob die Satzung einer deutschen AG oder SE auch einen Versammlungsort im Ausland vorsehen kann. Einige Obergerichte in Deutschland lehnten Hauptversammlungen im Ausland ab (z.B. OLG Hamburg, Beschluss v. 7.5.1993, 2 Wx 55/91). Begründet wurde dies u.a. damit, dass bei beurkundungsbedürftigen Beschlüssen im Ausland kein deutscher Notar für die Beurkundung greifbar sei, weil deutsche Notare außerhalb Deutschlands nicht tätig werden dürfen. Diese Begründung trägt nach Ansicht des BGH nicht. Beschlüsse können auch durch ausländische Notare beurkundet werden, wenn dies der deutschen Beurkundung gleichwertig ist, d.h. der Notar in dem jeweiligen Land eine ähnliche Stellung hat wie ein Notar in Deutschland. Auch werden nicht in jeder Hauptversammlung beurkundungsbedürftige Beschlüsse gefasst.
Das Urteil schafft insbesondere für Aktiengesellschaften mit ausländischen Mehrheitsaktionären Rechtssicherheit, die Hauptversammlungen am Sitz des Mehrheitsaktionärs abhalten wollen. Zudem gilt es auch für Europäische Aktiengesellschaft (SE) mit Sitz in Deutschland, die durch die Ermöglichung ausländischer Versammlungsorte ihrem Charakter als europäische Gesellschaften besser gerecht werden können. Durch die Einschränkung der Auswahl anhand sachgerechter Kriterien, wobei insbesondere eine gute Erreichbarkeit des Versammlungsortes für die Aktionäre entscheidend sein dürfte, werden die Interessen der (Minderheits-)aktionäre gewahrt.
Rechtsanwälte Dr. Barbara Mayer, Dr. Sven Ufe Tjarks, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
-
Italienische Bußgeldwelle trifft deutsche Autofahrer
2.172
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.7342
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
1.635
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.613
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
1.471
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
1.400
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
1.368
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
1.305
-
Verdacht der Befangenheit auf Grund des Verhaltens des Richters
1.136
-
Formwirksamkeit von Dokumenten mit eingescannter Unterschrift
1.0461
-
Risiko der Betriebsstättenbegründung durch mobiles Arbeiten im Ausland
18.11.2024
-
Handelsregistervollmachten – Anforderungen und Umgang bei Rückfragen des Handelsregisters
12.11.2024
-
Datenschutzbehörden müssen nicht zwingend Sanktionen verhängen
07.11.2024
-
Typisch stille Beteiligung an Kapitalgesellschaften – Unterschiede zwischen GmbH und AG
06.11.2024
-
Bundesnetzagentur wird nationale Marktüberwachungsbehörde bei der KI-Aufsicht
05.11.2024
-
Neue Bundesverordnung zur „Cookie-Einwilligung“
31.10.2024
-
Zahl der Datenschutz-Bußgeldverfahren steigt
24.10.2024
-
Untersuchungs- und Rügeobliegenheit im B2B-Bereich
23.10.2024
-
Fernmeldegeheimnis gilt nicht für private E-Mails und Telefonate am Arbeitsplatz
17.10.2024
-
Wirecard: Geschädigte Aktionäre sind keine nachrangigen Gläubiger!
16.10.2024