Eilrechtsschutz gegen Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste bei StartUps
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Zum Sachverhalt
In dem vom OLG München entschiedenen Fall ging es um die gerichtliche Untersagung der Hinterlegung einer neuen Gesellschafterliste im Wege des Eilrechtsschutzes. An einer GmbH, die als StartUp gegründet worden war, waren neben der ursprünglichen Gründungsgesellschafterin (einer GmbH, die noch knapp 12 % der Anteile hielt) verschiedene Investoren beteiligt. Der Geschäftsführer der Gründungsgesellschafterin war zunächst auch Geschäftsführer der StartUp-GmbH.
Im Juli 2020 wurde dem Geschäftsführer von den Investoren eröffnet, dass man ihn nicht für geeignet halte, die StartUp-GmbH zu führen. Der Geschäftsführer lud daraufhin sensible Firmendateien auf seinen betrieblichen Laptop und ein Speichermedium herunter, gab diese aber später wieder zurück. In einer daraufhin abgehaltenen Gesellschafterversammlung stimmen die Investoren jedoch gleichwohl für die Abberufung des Geschäftsführers und die außerordentliche Kündigung seines Anstellungsvertrags. In einer weiteren Gesellschafterversammlung wurde mit den Stimmen der Investoren außerdem die Einziehung der Geschäftsanteile der Gründungsgesellschafterin an der StartUp-GmbH beschlossen.
Die Gründungsgesellschafterin wandte sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Einziehung ihrer Geschäftsanteile. Sie beantragte die Unterlassung der Einreichung einer neuen Gesellschafterliste der StartUp-GmbH (bzw. die Hinterlegung einer korrigierten Liste, wenn eine Einreichung bereits erfolgt sei) und ihre Fortbehandlung als Gesellschafterin. Gegen die Entscheidung des Landgerichts, das den Erlass der einstweiligen Verfügung abgelehnt hatte, legte sie sofortige Beschwerde ein.
Das Urteil des OLG München v. 18.5.2021 (7 W 718/21)
Die sofortige Beschwerde der Gründungsgesellschafterin hatte weitgehend Erfolg. Das OLG München hielt es zum einen für glaubhaft, dass der Einziehungsbeschluss rechtswidrig war. Es hob hervor, dass das Herunterladen der Daten und diverse damit im Zusammenhang stehende Pflichtverletzungen zwar möglicherweise die Abberufung und Kündigung des Geschäftsführers rechtfertigten, dies aber nicht reiche, um (auch) die Einziehung der Geschäftsanteile der Gründungsgesellschafterin zu begründen.
Das Gericht ging zudem von einer Glaubhaftmachung des Verfügungsgrunds – also der besonderen Eilbedürftigkeit – aus. Dabei ließ es offen, ob die allgemeine Gefahr, aus der Gesellschafterliste gestrichen zu werden ausreicht. Es legte stattdessen den Fokus auf die besondere Situation in StartUp-Unternehmen. Gerade dort drohe die Gefahr, dass bis zur gerichtlichen Klärung der Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses im Hauptsacheverfahren richtungsweisende Entscheidungen (z.B. über Kapitalmaßnahmen) getroffen würden. Hierüber müsse ein Minderheitsgesellschafter zumindest informiert werden. Dies setze voraus, dass er auch in der Zeit, in der über die Wirksamkeit eines gegen ihn gerichteten Einziehungsbeschlusses noch nicht entschieden ist, in der Gesellschafterliste geführt wird.
Praxishinweis
Nur, wer in die beim Handelsregister hinterlegte Gesellschafterliste aufgenommen ist, gilt im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter und ist damit zur Ausübung von Gesellschafterrechten (z.B. Stimm-, Teilnahme-, Rede- und Einsichtsrechten) befugt (§§ 16, 40 GmbHG, sog. Legitimationswirkung der Gesellschafterliste). Diese Legitimationswirkung geht so weit, dass dies selbst dann gilt, wenn die Gesellschafterliste inhaltlich falsch ist.
Das führt insbesondere bei Gesellschafterstreitigkeiten dazu, dass meistens schnelles Handeln geboten ist. Dort werden häufig Gesellschafterbeschlüsse zum Ausschluss von Gesellschaftern aus der GmbH bzw. die Einziehung oder Zwangsabtretung ihrer Geschäftsanteile gefasst. Der betroffene Gesellschafter kann (und wird) gegen diese Beschlüsse zwar im Regelfall Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage erheben, doch die gerichtliche Entscheidung kann einige Monate oder sogar Jahre dauern. Wenn in diesem Zeitraum eine neue Gesellschafterliste beim elektronischen Handelsregister hinterlegt wird, verliert der Gesellschafter faktisch für längere Zeit seine Gesellschafterrechte.
Um diesen Rechtsverlust zu vermeiden, kann der Gesellschafter im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die GmbH vorgehen und damit erreichen, dass vorläufig keine neue Gesellschafterliste eingereicht wird bzw. eine bereits eingereichte Gesellschafterliste von der Gesellschaft korrigiert wird. Dafür muss der Gesellschafter allerdings einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund glaubhaft machen. Das heißt: Er muss das Gericht davon überzeugen, dass der Einziehungs- oder Zwangsabtretungsbeschluss unwirksam ist (Verfügungsanspruch) und ihm außerdem durch die Hinterlegung einer geänderten Gesellschafterliste wesentliche Nachteile entstehen würden und er den Ausgang des Hauptsacheverfahrens deswegen nicht abwarten kann (Verfügungsgrund).
Gerade hinsichtlich des Verfügungsgrundes war die Rechtsprechung in den vergangenen Jahren großzügig und hielt häufig die Gefahr, wegen der Legitimationswirkung der Gesellschafterliste die Befugnis zur Ausübung von Gesellschafterrechten allgemein zu verlieren, für hinreichend (siehe z.B. OLG München, Urteil vom 02.12.2020, Az. 7 U 4305/20 ). Das OLG München legte nun ein Augenmerk auf die besondere Situation bei StartUps. Zu Recht weist es darauf hin, dass gerade bei diesen Gesellschaften in der Anfangsphase bedeutende Entscheidungen in schneller Folge gefasst werden und es deswegen für einen möglicherweise ausgeschlossenen Gesellschafter besonders misslich wäre, seine Gesellschafterrechte – und seien es bei einer Minderheitsbeteiligung „nur“ die Informationsrechte – vorläufig zu verlieren. Wer als Gesellschafter in einer StartUp-Konstellation vom Ausschluss aus der Gesellschaft bedroht ist, hat deswegen einen Grund (und ein Argument) mehr, im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen etwaige Einziehungs- oder Zwangsabtretungsbeschlüsse vorzugehen.
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