Absehen von Einhaltung des Sperrjahres bei Vermögenslosigkeit der Gesellschaft
Sperrjahr soll Gläubigern Zeit geben, Forderungen einzutreiben
Das GmbH-Recht differenziert zwischen der Auflösung einer Gesellschaft (durch Beschluss der Gesellschafter) und ihrer Löschung im Handelsregister. Dazwischen muss in der Regel ein volles Jahr liegen, das sog. „Sperrjahr“. In diesem Jahr soll Gläubigern der Gesellschaft Gelegenheit gegeben werden, ihre Forderungen anzumelden und durchzusetzen. Beim Handelsregister wird im ersten Schritt zunächst die Auflösung angemeldet; im zweiten Schritt wird dann – mindestens ein Jahr später – die Löschung beantragt.
Im vorliegenden Fall beantragte der alleinige Gesellschafter einer GmbH beim Registergericht – sofort nachdem er die Auflösung der GmbH beschlossen hatte – seine Eintragung als Liquidator und zugleich die Löschung der Gesellschaft. Hierbei erklärte er, dass Vermögen der Gesellschaft nicht vorhanden sei, keine Zahlungen auf Geschäftsanteile ausstünden, keine Ansprüche und Forderungen von dritter Seite einschließlich der Steuerbehörden bestünden, keine gerichtlichen Rechtsstreitigkeiten anhängig seien und ein Fall der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ebenfalls nicht vorliege.
Das Registergericht lehnte die Eintragung der Löschung der Gesellschaft ab. Die Ablehnung begründete das Registergericht damit, dass die Liquidation noch nicht beendet sei, da das Sperrjahr noch nicht abgelaufen sei. Ferner sei noch keine Schlussbilanz aufgestellt worden und die steuerliche Abwicklung der Gesellschaft sei nicht abgeschlossen. Die Gesellschaft legte hiergegen Beschwerde ein.
Vermögenslosigkeit kann ausnahmsweise Sperrjahr aushebeln (OLG Hamm, Beschluss v. 02.09.2016 – 27 W 63/16)
Das OLG Hamm hob die Entscheidung des Registergerichts auf und hielt die Beschwerde für begründet. Zwar sei die Liquidation einer Gesellschaft in der Regel nicht beendet, bevor nicht alle Pflichten erfüllt seien und das Sperrjahr abgelaufen sei. Liege jedoch Vermögenslosigkeit der Gesellschaft vor, könne ausnahmsweise von der Einhaltung des Sperrjahres abgesehen werden. Das OLG Hamm begründete die Entscheidung damit, dass der Sinn und Zweck des Sperrjahres, allen Gläubigern der Gesellschaft die Chance der Meldung zu geben, im Fall der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft nicht gegeben sei.
Für die Annahme der Vermögenslosigkeit genüge es, wenn der Liquidator mit der Anmeldung der Löschung, gegebenenfalls in Verbindung mit einer Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse, umfassend versichere, dass die Gesellschaft vermögenslos und die Liquidation beendet sei. Das Registergericht könne davon ausgehen, dass die ordnungsgemäß angemeldeten Tatsachen auch der Wahrheit entsprechen. Nur wenn begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit bestünden, habe das Registergericht das Recht und die Pflicht zur weiteren Prüfung. Begründete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Liquidators ergeben sich nicht aus dem Fehlen der Liquidationsschlussbilanz und dem Abschluss des Besteuerungsverfahrens. Denn die Gesellschafter können auf die Schlussrechnung verzichten.
Verzicht auf Sperrjahr beschleunigt die Abwicklung
Die Entscheidung des OLG Hamm befindet sich auf einer Linie mit der herrschenden Ansicht in der Literatur und der obergerichtlichen Rechtsprechung und trägt dazu bei, eine schnelle Abwicklung und Löschung einer vermögenslosen Gesellschaft zu ermöglichen, ohne den Ablauf des Sperrjahres abwarten zu müssen. Mit dem Wegfallen des Sperrjahres wird die Gesellschaft auch vorzeitig von den Kosten der Unterhaltung, beispielsweise für Jahresabschlüsse, befreit.
Zu berücksichtigen ist zwar, dass die Löschung einer GmbH aus dem Handelsregister in der Regel erst in Betracht kommt, wenn das Sperrjahr gemäß § 73 GmbHG abgelaufen ist. So soll allen - auch bisher unbekannten - Gläubigern ermöglicht werden, ihre Forderungen gegenüber der Gesellschaft geltend zu machen. Dabei setzt § 73 GmbHG allerdings voraus, dass es überhaupt ein Gesellschaftsvermögen gibt, das verteilt werden kann. Liegt kein Gesellschaftsvermögen mehr vor, verfehlt die einjährige Sperrfrist ihren Sinn und stellt eine Belastung der Gesellschafter dar.
Von einer Vermögenslosigkeit der Gesellschaft ist auszugehen, wenn keine aktivierungsfähigen Vermögenswerte mehr vorhanden sind und somit keine Zugriffs- und Verteilungsmasse existiert. Da sich das Registergericht zum Nachweis der Vermögenslosigkeit grundsätzlich auf die Versicherung des Liquidators verlassen kann und nur bei begründeten Zweifeln eine Überprüfung durchzuführen ist, sollte der Liquidator schon bei der Anmeldung eine umfassende Versicherung bezüglich der Vermögenslosigkeit abgeben und die tatsächlichen Verhältnisse der Gesellschaft darlegen. Der Ausgang eines Besteuerungsverfahrens muss nicht abgewartet werden, wenn die Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb endgültig eingestellt hat und über kein Vermögen mehr verfügt. Versichert der Liquidator, dass auch von Seiten der Steuerbehörde keine Forderungen mehr bestehen, kann sich das Registergericht hierauf grundsätzlich verlassen. Es ist dem Liquidator zu empfehlen, dabei die jeweilige Praxis des Registergerichts zu berücksichtigen.
Rechtsanwälte Dr. Barbara Mayer und Theresa Ohnemus, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
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