Wettbewerbsrecht: Neuer Schadenersatzanspruch für Verbraucher

Mit Umsetzung der EU-Omnibusrichtlinie sind zum 28.5.2022 neue Verbraucherschutzrechte wirksam geworden. Ins UWG wurde erstmals ein Verbraucheranspruch auf Schadenersatz bei wettbewerbswidrigem Verhalten aufgenommen.

Die verbesserte Rechtsstellung der Verbraucher bringt u.a. für Online-Händler und auch für Influencer im Bereich Marketing und für Online-Marktplätze eine Reihe wichtiger Änderungen. Das seit dem 28.5.2020 anzuwendende „Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht“ enthält Neuregelungen insbesondere zu den Pflichtangaben, zu den Informationspflichten und zur Wiedergabe von Kundenbewertungen.

EU-Omnibusrichtlinie

Die sogenannte Omnibusrichtlinie EU-2019/2161 ist bereits im Januar 2020 in Kraft getreten und hat in Deutschland bereits 2021 zu einer Reihe von gesetzgeberischen Aktivitäten geführt, die u.a. im BGB, in der Preisangabenverordnung (PAngV) und im „Gesetz für faire Verbraucherverträge“ ihren Niederschlag gefunden haben. Die meisten der beschlossenen Änderungen sind gemäß Art. 7 der EU-Omnibusrichtlinie ab dem 28.5.2022 in den Mitgliedstaaten anzuwenden, darunter die neue PAngV sowie Änderungen des UWG mit einem neuen Schadensersatzanspruch für Verbraucher.

Verbraucherschadensersatzanspruch

Ein absolutes Novum im Wettbewerbsrecht ist der neu eingeführte Schadensersatzanspruch für Verbraucher. Dieser hat den Zweck, Lücken beim Verbraucherschutz zu schließen, die insbesondere im vorvertraglichen Bereich bestehen. Voraussetzung des neuen Schadensersatzanspruchs gemäß § 9 Abs. 2 UWG ist

  • ein vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstoß des Unternehmers gegen eine Vorschrift des UWG.
  • Die unlautere geschäftliche Handlung des Unternehmers muss den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst haben, die der Verbraucher andernfalls nicht getroffen hätte.
  • Geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n.F. jede Entscheidung des Verbrauchers darüber, ob oder wie er ein Geschäft abschließt, eine Zahlung leistet oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will.

Ausdrücklich ausgenommen von der Schadensersatzpflicht sind einige Verstöße, in deren Zentrum der Schutz der Mitbewerber steht, wie Verstöße gegen § 3a UWG (Rechtsbruch), gegen § 4 UWG (Mitbewerberschutz) oder gegen § 6 UWG (vergleichende Werbung).


Verbraucher haben Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses

Der Schadensersatzanspruch für den Verbraucher zielt auf Ersatz des negativen Interesses, das heißt der Verbraucher muss so gestellt werden, als wäre die unzulässige geschäftliche Handlung nicht vorgenommen worden. Beispiel: Aufgrund der wahrheitswidrigen Angabe eines Händlers, eine Ware in hoher Stückzahl vorrätig zu haben, fährt der Verbraucher vergeblich zu dessen Geschäft, um die Ware zu erwerben. Gemäß § 9 Abs. 2 UWG ist der Anbieter in diesem Fall zum Ersatz der dem Kunden infolge der vergeblichen Fahrt entstandenen Kosten verpflichtet.


Höhere Preistransparenz zur Vermeidung von Mondpreisen

Neuerungen in der PAngV sollen künftig die Angabe von Mondpreisen vermeiden helfen, die dadurch entstehen, dass kurz vor Einführung eines Rabatts, die Preise kurz angehoben werden, um die Preissenkung als besonders attraktiv erscheinen zu lassen. Gemäß dem neu geschaffenen § 11 PAngV ist bei Werbung mit Preisermäßigungen ein vorheriger Verkaufs- bzw. Gesamtpreis anzugeben, und zwar der niedrigste Gesamtpreis, den der Händler in den letzten 30 Tagen für diese Ware gefordert hat. Dies gilt sowohl für analog angebotene Waren im Geschäft als auch für Waren im Onlinehandel. Ausgenommen sind schnell verderbliche Waren, die vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums reduziert ausgezeichnet werden. Eine weitere wichtige Ausnahme ist der Hinweis auf die UVP des Herstellers, der auch weiterhin ohne nähere Erläuterungen zulässig ist.


Problem der „Dual Quality“

In der EU vermarkten einige Unternehmen in den verschiedenen Mitgliedstaaten äußerlich identische Waren in unterschiedlicher Qualität je nach Absatzmarkt („Dual Quality“). In der Werbung werden diese Produkte häufig EU-weit mit gleichen Slogans vermarktet, obwohl die Qualität recht unterschiedlich sein kann. Nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 UWG n.F. ist diese Art der Vermarktung künftig als irreführend zu bewerten, sofern die Vermarktung nicht durch legitime und objektive Faktoren (z.B. besondere nationale Vorschriften zu den Inhaltsstoffen) gerechtfertigt ist. In der Praxis bedeutet dies, dass beispielsweise ein Getränk, das in Frankreich mit anderen Inhaltsstoffen (z.B. mit unterschiedlichen Zuckermengen) als in Deutschland angeboten wird, künftig mit unterschiedlichen Etiketten versehen werden muss, so dass der Unterschied für den Verbraucher leicht erkennbar ist.


Influencer-Marketing

Influencer müssen sich auf neue Informationspflichten einstellen. Gemäß dem neu eingeführten § 5a Abs. 4 UWG handelt unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht und dies den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlassen kann, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Dies bedeutet für Influencer, dass sie künftig Produkte von Unternehmen nur dann zeigen oder erwähnen dürfen, wenn sie von den betreffenden Unternehmen kein Entgelt und keine sonstige Gegenleistung erhalten. Andernfalls sind sie verpflichtet, den kommerziellen Zusammenhang kenntlich zu machen, es sei denn der kommerzielle Zweck ergibt sich unmittelbar aus den Umständen oder dem Kontext der Darstellung.


Neue Informationspflichten

Gemäß neuem § 5a Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer durch Vorenthaltung wesentlicher Informationen irreführt, die für eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sind. Das Gesetz führt einzelne, als wesentlich anzusehende Informationen katalogmäßig auf, darunter die Pflicht, bei einem Angebot von Waren oder Dienstleistungen über einen Online-Marktplatz anzugeben, ob es sich bei dem Anbieter nach dessen eigener Erklärung um einen gewerblichen Unternehmer handelt.


Erweiterte Informationspflichten bei Rankings

Onlineplattformen, insbesondere auch Vergleichsportale, müssen künftig die wichtigsten Parameter für die Festlegung ihrer Produktrankings angeben, darunter die Maßstäbe für die Gewichtung unterschiedlicher Produktmerkmale. Der Begriff „Ranking“ bezeichnet gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG die von einem Unternehmer veranlasste relative Hervorhebung von Waren oder Dienstleistungen. Wird ein Ranking von Suchergebnissen im Wesentlichen nach bezahlter Werbung vorgenommen und dies nicht offen gelegt, ist dies gemäß Art. 246d EGBGB i.V.m. Nr. 11a des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG unlauter. Wenn Online-Anbieter Kundenbewertungen veröffentlichen, sind sie verpflichtet anzugeben, ob sie sicherstellen, dass die Bewertungen tatsächlich von echten Käufern stammen und wie sie dies sicherstellen.


Sanktionen

In Umsetzung von Art. 24 der EU-Omnibusrichtlinie ziehen Regelverstöße spürbare Sanktionen nach sich. Gemäß § 19 Abs. 1 UWG n.F. handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig unter Verletzung des § 5c Abs. 1 UWG n. F. Verbraucherinteressen verletzt. Der Verstoß kann mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro, in besonderen Fällen auch höher und mit einer Strafzahlung von bis zu 4 % des Jahresumsatzes geahndet werden. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um einen sogenannten „weitverbreiteten Verstoß“ handelt, d.h. der Verstoß Auswirkungen auf die Verbraucherinteressen in mehreren EU Mitgliedsländern hat. Daneben knüpft das Gesetz Sanktionen an weitere Voraussetzungen wie Verstöße gegen bestimmte, im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG gelistete „Blacklist-Tatbestände“, an aggressives Geschäftsgebaren oder an Verbraucherirreführungen.


Hinweis:

Eine weitere wichtige Neuerung für Verbraucher tritt zum 1.7.2022 nach dem „Gesetz für faire Verbraucherverträge“ in Kraft: Zu diesem Zeitpunkt wird der sogenannte Kündigungsbutton für die Kündigung längerfristiger Online-Verträge Pflicht. Für eine Kündigung genügt dann ein Klick auf den Button. Die Kündigung muss dem Kündigenden danach umgehend elektronisch bestätigt werden. Allerdings existieren Ausnahmen, so für Webseiten, die Finanzdienstleistungen anbieten.


Schlagworte zum Thema:  Verbraucherschutz, Wettbewerbsrecht