Zinsen auf Geldbußen im Kartellrecht sind verfassungsgemäß

Geldbußen bei Kartellrechtsverstößen werden verzinst, zumindest bei juristischen Personen. Lange Zeit war diese Regelung umstritten. Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden: Sie ist in Ordnung.

Kartellabsprachen kommen Verbraucher sehr teuer, doch auch die Bußgelder im Kartellrecht sind nicht ohne. Zinsen on top hat das Bundesverfassungsgericht gerade bestätigt.

Einzigartig: Zinsen auf Bußgelder

Wer gegen das Kartellrecht verstößt, muss mit hohen Geldbußen rechnen. Handelt es sich bei den Kartellsündern um juristische Personen oder Personenvereinigungen, müssen diese zusätzlich auch noch eine Verzinsung der Geldbuße einkalkulieren, die bereits zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheids beginnt. Die Verzinsung beläuft sich auf 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz – kein Pappenstiel bei Geldbußen von mehreren Millionen Euro. So sieht es § 81 Abs. 6 GWB vor.

Umstrittener Paragraf

Dieser bereits im Gesetzgebungsverfahren umstrittene Paragraf stand jetzt im Fokus des Bundesverfassungsgerichtes und wurde von ihm auf Herz und Nieren überprüft. Grund dafür war die Vorlage eines Oberlandesgerichtes, das derzeit mit solchen Bußgeldverfahren gegen mehrere große Versicherungsgesellschaften befasst ist.

Kein Pappenstiel: 1,7 Mio. EUR

Das Bundeskartellamt hatte gegen eine Versicherung wegen mehrerer vorsätzlicher Verstöße gegen das Kartellverbot (§ 1 GWB) eine Geldbuße in Höhe von insgesamt 6,4 Mio. EUR festgesetzt. Gegen den Bescheid war Einspruch eingelegt worden, was zunächst zur Einstellung des Verfahrens für einen Teil von 400.000 EUR führte.

Jahre später nahm die Gesellschaft den Einspruch in Gänze zurück und beglich die verbliebene Geldbuße von 6 Mio. EUR. Damit war die Sache für das Bundeskartellamt jedoch noch nicht beendet: Es verlangte vom Versicherer unter Hinweis auf § 81 Abs. 6 GWB weitere 1,7 Mio. EUR als Zinsen auf die Geldbuße.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Zinsparagrafen

Die Versicherungsgesellschaft erhob dagegen Klage beim Oberlandesgericht. Sie brachte verfassungsrechtliche Bedenken gegen den in Rede stehenden Zinsparagrafen vor, so z. B. dass dieser gegen die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung und gegen das Verbot der Doppelbestrafung verstoße.

Auch sei es eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung, dass nur bei Festsetzung durch einen Bußgeldbescheid, aber nicht bei Verurteilung im Einspruchsverfahren Zinsen zu zahlen seien und dass die Verzinsungspflicht nur juristische Personen treffe. Die hohe Zinsbelastung führe zudem zu einer unzumutbaren Erschwerung des Rechtswegs und verstoße daher auch gegen Art. 19 Abs. 4 GG.

Versicherungsgesellschaften: Eher Opfer oder eher Täter?  

Diese Bedenken teilte das Oberlandesgericht und legte dem Bundesverfassungsgericht die Sache zur Beurteilung vor. Wider Erwarten kippte dieses den § 81 Abs. 6 GWB nicht und bescheinigte ihm Verfassungsmäßigkeit u.a. mit folgender Begründung:

BVerfG: Beschränkung auf Kartellgeldbußen gegen juristische Personen gerechtfertigt

Die Beschränkung auf Kartellgeldbußen gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen lässt sich auf einen hinreichenden Sachgrund stützen, der eine Ungleichbehandlung sehr wohl rechtfertige: Der Gesetzgeber durfte zu Recht genau bei diesen Gruppen die tatsächliche Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Einlegung von Einsprüchen für besonders groß halten.

Ziel: rechtsmissbräuchlichen Einsprüche zwecks Verzögerung verhindern

Das Ziel, dass der Gesetzgeber mit Einführung des § 81 GWB verfolgte, war, der rechtsmissbräuchlichen Einlegung von Einsprüchen aus Gründen der Verzögerungstaktik und zur Erlangung von Zinsvorteilen entgegenzuwirken. Daher ist es auch nicht willkürlich, wenn § 81 Abs. 6 GWB eine Verzinsung der Geldbuße nur bei einem Einspruch, nicht aber bei einem Prozess über die Geldbuße verlangt.

„Führt das betroffene Unternehmen eine gerichtliche Sachentscheidung herbei, so hat es Kartellbehörde und das Kartellgericht nicht zweckwidrig nur zur Verfahrensverzögerung belastet, um den Einspruch noch vor ihrer endgültigen Entscheidung zurückzunehmen, sondern es hat im Gegenteil die gerichtliche Sachentscheidung abgewartet, sich ihren rechtlichen Wirkungen einschließlich der Gefahr einer Verböserung der Rechtsfolge unterworfen und damit die staatlichen Institutionen entsprechend ihrer Funktion in Anspruch genommen.“, argumentierten die Richter.

Art. 19 Abs. 4 GG nicht verletzt

Auch im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG sah das BVerfG keine Probleme: Zwar habe der Gesetzgeber mit der Verzinsung klar das Ziel verfolgt, Unternehmen von Einsprüchen gegen Kartellbußgeldbescheide abzuhalten. Allerdings sollen damit nur solche Einsprüche abgewehrt werden, die allein zur Erlangung finanzieller Vorteile eingelegt und noch vor dem Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung zurückgenommen werden sollen. Mit der Abwehr von solch missbräuchlichen Rechtsmitteln sei keine Beeinträchtigung des Rechtswegs verbunden.

Ein millionenschwerer Beschluss

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat erhebliche finanzielle Folgen auch für andere Bußgeldverfahren wegen Kartellrechtsverstößen. Die dort noch in Rede stehenden Zinsen belaufen sich auf fast 50 Mio. EUR, schätzen Experten.

(BVerfG, Beschluss v. 19.12.2012, 1 BvL 18/11).


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