1 Haftung für Arbeitslohn
Bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit (Arbeitslohn) wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer). Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer Schuldner der Lohnsteuer. Die Lohnsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt. Der Arbeitgeber muss die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einbehalten. Der Arbeitgeber ist nur Schuldner der pauschalen Lohnsteuer.
Zuwendung von Arbeitslohn
Die Zuwendung von Arbeitslohn ist nur dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft eine objektive Bereicherung erfährt.
Eine objektive Bereicherung des Arbeitnehmers ist z. B. nicht gegeben, wenn die Bewirtung der Gäste anlässlich eines Festes des Arbeitgebers erfolgt und nur in einem geringen Umfang Arbeitslohn des ausgeschiedenen Arbeitnehmers des Arbeitgebers anzunehmen ist.
Gutschriften auf Wertguthabenkonten sind kein zugeflossener Arbeitslohn
Nur tatsächlich zugeflossener Arbeitslohn unterliegt dem Lohnsteuerabzug. Gutschriften auf einem Wertguthabenkonto sind kein gegenwärtig zufließender Arbeitslohn. Durch die Zuführung von Arbeitslohn zu einem Wertguthabenkonto wird der Anspruch des Arbeitnehmers nicht erfüllt. Vielmehr erwirbt der Arbeitnehmer anstelle des fälligen Lohnanspruchs einen noch nicht fälligen Anspruch auf zukünftige Lohnzahlung gegen den Arbeitgeber. Die Leistung des Arbeitgebers auf das Wertguthabenkonto dient nur der Absicherung des zukünftigen Anspruchs. Der Arbeitgeber haftet also nicht für die Lohnsteuer, wenn er die Entlassungsentschädigung als Wertguthaben zugunsten des Arbeitnehmers auf die DRV Bund übertragen hat.
Auch die fehlende Insolvenzsicherung und das damit einhergehende Risiko des (Wert-)Verlusts eines vom Arbeitgeber nicht erfüllten Lohnanspruchs führen nicht zum Zufluss von Arbeitslohn, sodass die Haftung für die Lohnsteuer entfällt.
2 Inanspruchnahme des Arbeitgebers
2.1 Verletzung der Einbehaltungs- und Abführungspflicht
Der Arbeitgeber haftet gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG zum einen, wenn er die nach den ELStAM ermittelte Lohnsteuer nicht einbehält.
Zum anderen haftet der Arbeitgeber, wenn er die Lohnsteuer nach den gesetzlichen Vorschriften einbehalten, diese aber nicht an das Finanzamt abgeführt hat (Verstoß gegen § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG).
2.2 Verkürzung der Lohnsteuer
Die Haftung nach § 42d Abs. 1 Nr. 3 EStG erfordert die Feststellung, dass Lohnsteuer verkürzt worden ist aufgrund fehlerhafter Angaben im Lohnkonto oder in der Lohnsteuerbescheinigung.
2.3 Schätzung der Lohnsteuer
Kann der Umfang der ausgezahlten Arbeitslöhne nicht festgestellt oder die Höhe der einzubehaltenden Lohnsteuer nicht berechnet werden, weil der Arbeitgeber die gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen nicht geführt hat und deshalb die Besteuerungsmerkmale der einzelnen Arbeitnehmer nicht ermittelt werden können, sind der Arbeitslohn und die darauf entfallende Lohnsteuer zu schätzen.
2.4 Haftungsausschluss
Der Arbeitgeber haftet nicht in folgenden Fällen:
2.5 Haftungsvermeidung durch Anrufungsauskunft
Die Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG trifft eine Aussage darüber, wie die Finanzbehörde den vom Antragsteller dargestellten Sachverhalt im Hinblick auf die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug gegenwärtig rechtlich einordnet. Das Absehen von der Einholung einer Anrufungsauskunft kann von der Finanzbehörde im Rahmen der Haftung als grob schuldhaft beurteilt werden. Wenn ein Arbeitgeber beim Lohnsteuerabzug entsprechend einer Anrufungsauskunft handelt, kann ihm kein Fehlverhalten vorgeworfen werden, sodass eine Haftung grundsätzlich ausscheidet.
Eine Anrufungsauskunft kann entsprechend § 207 Abs. 2 AO mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben oder geändert werden.
Der Arbeitgeber hat keinen Anspruch auf eine inhaltlich von der Anrufungsauskunft abweichende Auskunft, wenn der entscheidungserhebliche Sachverhalt zutreffend erfasst wurde und die darauf beruhende Auskunft des Finanzamts jedenfalls nicht offensichtlich rechtsfehlerhaft ist. In diesem Fall kann der Arbeitgeber nur gegen lohn- oder einkommensteuerrechtliche Festsetzungen vorgehen.