Zusammenfassung
Mit der Aufhebung von Verwaltungsakten ist im weiteren Sinne die Beseitigung der Wirksamkeit eines – ggf. bestandskräftigen – Verwaltungsaktes durch die Behörde oder durch ein Gericht zu verstehen. Hiervon umfasst ist u. a. die Aufhebung eines Verwaltungsaktes durch Rücknahme oder Widerruf sowie bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung die Aufhebung bei Änderung der Verhältnisse (Aufhebungsbegriff im engeren Sinne).
Sozialversicherung: Die materiell-rechtlichen Regelungen über die Aufhebung von Verwaltungsakten sind in § 39 Abs. 2, §§ 44 bis 49 SGB X enthalten. Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse ist in § 48 SGB X bestimmt. §§ 50 und 51 SGB X regeln die Folgen nach erfolgter Aufhebung. Weitere – prozessuale – Regelungen enthält in diesem Zusammenhang u. a. § 54 Abs. 1 und 4 SGG.
1 Aufhebungsgründe
1.1 Rücknahme
1.1.1 Rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt
Mit der Möglichkeit der Aufhebung eines rechtswidrigen, nicht begünstigenden Verwaltungsaktes gemäß § 44 SGB X wird das Ziel verfolgt, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zugunsten letzterer aufzulösen.
1.1.2 Rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt
Mit der Möglichkeit der Aufhebung eines rechtswidrigen, begünstigenden Verwaltungsaktes gemäß § 45 SGB X soll ein Ausgleich zwischen den Interessen des Einzelnen auf Aufrechterhaltung der ihm eingeräumten günstigen Rechtsposition und dem Interesse der Allgemeinheit an einer Durchsetzung des geltenden Rechts und einer zweckentsprechenden Mittelverwendung geschaffen werden.
1.2 Widerruf
1.2.1 Rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt
Der Aufhebungsgrund bei einem rechtmäßigen nicht begünstigenden Verwaltungsakt gemäß § 46 SGB X liegt in der Korrektur von Ermessensentscheidungen, beispielsweise aus Zweckmäßigkeitserwägungen.
1.2.2 Rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt
Der Aufhebungsgrund bei einem rechtmäßigen, begünstigenden Verwaltungsakt gemäß § 47 SGB X liegt in der Korrektur von Entscheidungen, u. a. unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes einerseits und einer relevanten Zweckverfehlung andererseits (u. a. z. B. Nichterfüllung des Leistungsverwendungszwecks).
1.3 Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse
Mit dem Aufhebungsgrund eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse gemäß § 48 SGB X wird dasselbe Ziel wie bei der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes gemäß § 45 SGB X verfolgt, namentlich Ausgleich der Interessen des Einzelnen auf Aufrechterhaltung der ihm eingeräumten günstigen Rechtsposition und dem Interesse der Allgemeinheit an einer Durchsetzung des geltenden Rechts und einer zweckentsprechenden Mittelverwendung.
Der Unterschied zwischen § 48 SGB X und § 45 SGB X besteht u. a. im Zeitpunkt des Erlasses. § 45 SGB X setzt voraus, dass der Verwaltungsakt im Zeitpunkt des Erlasses (Bekanntgabe) bereits rechtswidrig war. § 48 SGB X eröffnet den Anwendungsbereich für relevante Änderungen nach dem Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung.
Verwaltungsakte mit Dauerwirkung sind vom Sozialleistungsträger mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Das ist allerdings nur dann möglich, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten ist, und zwar im Vergleich zum Zeitpunkt, in dem der Verwaltungsakt erlassen wurde.
Rentenbescheid
Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist beispielsweise ein Rentenbescheid, da mit der Bewilligung der monatlichen Rentenzahlung grundsätzlich zunächst ein auf Dauer ausgerichtetes Rechtsverhältnis begründet wird.
Bei der Aufhebung wird davon ausgegangen, dass der aufzuhebende Verwaltungsakt rechtmäßig war und wegen der Änderung der Verhältnisse mit dem bei Erlass des Verwaltungsaktes angewendeten Recht nicht mehr übereinstimmt. Somit können sowohl begünstigende als auch nicht begünstigende (belastende) Verwaltungsakte aufgehoben werden.
1.4 Aufhebung bei Widerspruch/Klage eines Dritten
Soweit ein Dritter einen für einen anderen begünstigenden Verwaltungsakt anficht durch Widerspruch oder Klage und der Verwaltungsakt aufgehoben wird, schließt § 49 SGB X bestimmte Schutzvorschriften aus. Insoweit geht es um die Konfliktlösung bei widerstreitenden Interessen zwischen dem Empfänger des Verwaltungsaktes und dem Dritten.
2 Wirkung
2.1 Vergangenheit
Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes kann bei Vorliegen der Voraussetzungen mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen.
Regelmäßig wird seitens des Adressaten eines nicht begünstigenden Verwaltungsaktes angestrebt, die Aufhebung des nicht begünstigenden Verwaltungsaktes auch mit Wirkung für die Vergangenheit zu erreichen.
2.2 Zukunft
Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes kann bei Vorliegen der Voraussetzungen mit Wirkung für die Zukunft erfolgen.
Regelmäßig wird seitens des Adressaten eines begünstigenden Verwaltungsaktes versucht, die Aufhebung des begünstigenden Verwaltungsaktes auf eine solche lediglich mit Wirkung für die Zukunft zu beschränken.
2.3 Verhältnisänderung
Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden...