Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4a SGB II bei unerlaubtem Aufenthalt außerhalb des zeit und ortsnahen Bereichs greift auch bei Leistungsberechtigten, die Arbeitslosengeld II unter den erleichterten Bedingungen des § 64 Abs 4 SGB II iVm § 428 SGB III beziehen.
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 4a, § 65 Abs. 4; SGB III § 428; EAO § 4
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.03.2014 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 18.05.2009 bis 27.09.2009 und vom 04.07.2010 bis 09.10.2010, die Erstattung von Leistungen iHv insgesamt 5.496,19 € und eine Aufrechnung.
Die Klägerin ist ukrainische Staatsangehörige und bezieht vom Beklagten seit 01.01.2005 Alg II. Auf ihren Fortzahlungsantrag vom 19.12.2008, in dem sie den Erhalt des Merkblattes "SGB II - Grundsicherung für Arbeitssuchende (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld)" und dessen Kenntnisnahme unterschriftlich bestätigte, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 21.01.2009 idF des Änderungsbescheides vom 06.06.2009 Alg II iHv 582,53 € monatlich (Februar bis Juni 2009) bzw. 589,53 € (Juli 2009). Auch für die Folgezeiträume vom 01.08.2009 bis 31.01.2010 (Bescheid vom 24.06.2009 idF des Änderungsbescheides vom 14.07.2009), für die Zeit vom 01.02.2010 bis 31.07.2010 (Bescheid vom 05.01.2010) und für die Zeit vom 01.08.2010 bis 31.10.2010 (Bescheid vom 22.06.2010) bewilligte der Beklagte jeweils Alg II iHv 589,53 € monatlich. In den Bewilligungsbescheiden war der Hinweis enthalten, dass eine Ortsabwesenheit mit dem persönlichen Ansprechpartner vorab abzustimmen sei und eine unerlaubte Abwesenheit zum Wegfall und Rückforderung des Alg II führen könne.
Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 14.03.2012 stellte der Beklagte anhand des dort vorgelegten Reisepasses fest, dass sich nach den dort angebrachten Stempeln die Klägerin in der Zeit vom 19.05.2009 bis 26.09.2009 und vom 05.07.2010 bis 08.10.2010 in Polen aufgehalten habe. Mit Schreiben vom 15.03.2012 hörte er deshalb die Klägerin zu einer Aufhebung der Leistungsbewilligung für diese Zeiträume, einer entsprechenden Rückforderung und einer etwaigen diesbezüglichen Aufrechnung an. Mit Bescheid vom 10.04.2012 idF des Änderungsbescheides vom 07.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2012 hob der Beklagte sodann die Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 18.05.2009 bis 27.09.2009 und vom 05.07.2010 bis 08.10.2010 auf, forderte von der Klägerin die Erstattung überzahlter Leistungen iHv 5.496,19 € einschließlich der Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherungen und verfügte eine Aufrechnung im Umfang von 100,00 € monatlich ab 01.05.2012. Aufgrund der ungenehmigten Ortsabwesenheiten sei in den genannten Zeiträumen der Anspruch auf Alg II entfallen. Die Klägerin habe insofern wesentliche Angaben nicht oder verspätet gemacht und damit die Überzahlung von Leistungen verursacht. Die Rücknahme der Bewilligungen ergebe sich aus § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Im Hinblick auf die Aufrechnung habe man von dem eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht. Weder habe die Klägerin etwas vorgetragen, noch ergäben sich Anhaltspunkte, die gegen eine Aufrechnung sprechen würden.
Die Klägerin hat dagegen beim Sozialgericht Nürnberg (SG) Klage erhoben. Es bestehe eine Vereinbarung über die sog. "58er-Regelung" nach § 65 Abs 4 SGB II iVm § 428 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Es hätte jedenfalls einer gesonderten Belehrung über die Folgen einer unabgestimmten Ortsabwesenheit durch den Beklagten bedurft. Weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit seien bei der Klägerin ersichtlich. Mit Gerichtsbescheid vom 02.04.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe sich ohne Zustimmung ihres persönlichen Ansprechpartners in Polen aufgehalten. Die jeweiligen Reisetage am 18.05.2009, 27.09.2009, 04.07.2010 und 09.10.2010 seien ebenfalls als Tage der Ortsabwesenheit zu werten. Der Leistungsanspruch der Klägerin sei nach § 7 Abs 4a SGB II ausgeschlossen gewesen. Insofern sei der Bezug von Alg II nach den erleichterten Voraussetzungen des § 65 Abs 4 SGB II iVm § 428 SGB III unerheblich, da nach dem Wortlaut des § 7 Abs 4a SGB II sämtliche Leistungsempfänger erfasst würden. Die jeweilige Ortsabwesenheit sei nicht mitgeteilt worden, obwohl die Klägerin aus den Antragsformularen die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung von Änderungen gekannt habe oder zumindest grob fahrlässig nicht gekannt habe. Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt (Az: L 11 AS 393/14), über die bislang nicht entschieden worden ist.
Einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren hat das SG mit Beschluss vom 10.03.2014 wegen Fehlens hinreichender Erfolgsaussichten der Kla...