Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Versäumung der Beschwerdefrist. Wiedereinsetzung. Ordnungsgeld. Erstattung eines Sachverständigengutachtens. Setzen einer Nachfrist. kein hinreichender Entschuldigungsgrund: berufliche Überlastung über längeren Zeitraum
Leitsatz (amtlich)
Berufliche Überlastung über einen längeren Zeitraum ist kein hinreichender Entschuldigungsgrund und rechtfertigt es nicht, das gegen einen säumigen Sachverständigen festgesetzte Ordnungsgeld aufzuheben.
Orientierungssatz
1. Eine vor Bekanntgabe der anzufechtenden Entscheidung eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Etwas Anderes gilt nur dann, wenn die Entscheidung vor der Bekanntgabe auf andere Weise, zB durch eine telefonische Mitteilung der Geschäftsstelle verlautbart worden war.
2. Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn das Gericht - trotz zutreffender Rechtsmittelbelehrung - nicht beim Beschwerdeführer rechtzeitig bzw vor Ablauf der Beschwerdefrist angefragt hat, ob er sein Schreiben als Beschwerde verstanden wissen möchte.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 17.03.2009 wird zurückgewiesen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Streitig ist, ob das Sozialgericht Landshut dem Beschwerdeführer zu Recht Ordnungsgeld auferlegte.
Im Verfahren vor dem Sozialgericht zum Az.: S 9 U 275/05 beauftragte das Gericht auf Antrag des dortigen Klägers den Beschwerdeführer am 24.06.2008 mit der Erstattung eines Gutachtens. Am 10.09.2008 erklärte der Beschwerdeführer, mit dem Eingang des Gutachtens könne nicht vor Ende Oktober 2008 gerechnet werden.
Auf Mahnung am 27.11.2008, Mahnung am 07.01.2009 mit Fristsetzung bis 13.02.2009 und Nachfristsetzung vom 16.02.2009 mit Frist bis 13.03.2009 unter gleichzeitiger Androhung von Ordnungsgeld für den Fall, dass die Frist fruchtlos verstreichen würde, reagierte der Beschwerdeführer nicht.
Mit Beschluss vom 17.03.2009 legte das Sozialgericht dem Beschwerdeführer 500,00 EUR Ordnungsgeld auf, weil er das Gutachten trotz mehrfacher Erinnerung, Fristsetzung und Nachfristsetzung nicht abgeliefert habe. Zur Höhe des Ordnungsgeldes führte es aus, infolge seines Verhaltens seien 500,00 EUR angemessen. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer mit Einschreiben/Rückschein am 19.03.2009 zugestellt.
Im Schreiben vom 16.03.2009, beim Sozialgericht am 18.03.2009 eingegangen, erklärte der Beschwerdeführer, er sei aufgrund seines Gesundheitszustandes und einer äußerst schwierigen Personalsituation in der Klinik nicht in der Lage, das Gutachten in absehbarer Frist zu erstellen. Er bitte, ihn vom Gutachtensauftrag zu entbinden. In einem Telefongespräch am 01.07.2009 teilte der Beschwerdeführer mit, sein Schreiben vom 16.03.2009 solle als Beschwerde gelten. Das Sozialgericht legte das Schreiben dem Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vor.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 17.03.2009 aufzuheben.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird gemäß § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft und zulässig gemäß §§ 172, 173 SGG.
Das vom Beschwerdeführer vor Bekanntgabe des Beschlusses an das Sozialgericht gerichtete Schreiben vom 16.03.2009, eingegangen am 18.03.2009, stellt keine zulässige Beschwerde dar. Eine vor Bekanntgabe der anzufechtenden Entscheidung eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Etwas Anderes gilt nur dann, wenn die Entscheidung vor der Bekanntgabe auf andere Weise, z.B. durch eine telefonische Mitteilung der Geschäftsstelle verlautbart worden war (Meyer-Ladewig, SGG, 9.Auflage, § 172 Rdnr.2 und § 173 Rdnr.5b).
Dem Beschwerdeführer ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG zu gewähren. Danach ist einem Beteiligten, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das ist dann der Fall, wenn der Beteiligte diejenige Sorgfalt angewandt hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zuzumuten ist. Auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt durch einen gewissenhaft und sachgemäß Prozessführenden muss die Versäumnis der Verfahrensfrist nicht vermeidbar gewesen sein. Bei sorgfältigem Lesen der Rechtsmittelbelehrung hätte der Beschwerdeführer feststellen können, dass die Beschwerde erst nach Bekanntgabe der Entscheidung eingelegt werden kann. Im hier zu entscheidenden Streit kommt aber der Tatsache Bedeutung zu, dass das Sozialgericht Anlass gehabt hätte, beim Beschwerdeführer rechtzeitig, d.h. vor Ablauf der Beschwerdefrist, nachzufragen, ob er sein Schreiben als Beschwerde verstanden wissen möchte. Zwar ist das Gericht nicht verpflichtet, in jedem Einzelfall - trotz zutreffender Rechtsmittelbelehrung - dafür zu sorgen, dass Schreiben der Beteiligten in einen zulässigen Rechtsbehelf umgedeutet werden. Nac...