Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegegeld. Pflegebedürftigkeit. Entziehung. Mitwirkung. Nachuntersuchung durch den MDK im Wohnbereich. Aufschiebende Wirkung. Interessenabwägung
Leitsatz (amtlich)
1. Routinemäßige Nachuntersuchungen, die allein von einem Zeitablauf bestimmt werden, sind nicht zulässig.
2. Zur Frage der Notwendigkeit einer Wiederholungsbegutachtung duch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung.
Normenkette
SGB XI § 18 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; SGB I §§ 62, 65 Abs. 1, § 66 Abs. 1 S. 1; SGB X § 48; SGG § 86a Abs. 2 Nr. 3, § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 18. März 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) wendet sich gegen die Einstellung der Pflegegeldleistung zum 31. Januar 2011.
Am 17. Februar 2009 ging der Antrag des Bf. auf Gewährung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung bei der Antrags- und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Bg.) ein. Der im Rahmen des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Regensburg (Az.: S 2 P 55/09) beauftragte Arzt Dr. E. war in seinem Gutachten vom 21. Dezember 2009 nach Hausbesuch zu dem Ergebnis gelangt, dass als pflegerelevante Gesundheitsstörungen Verschleißerscheinungen an Wirbelsäule, Schulter-, Hand- und Fingergelenken mit chronischen Schmerzen und Funktionseinschränkungen bestehen. Der Grundpflegebedarf betrage 48 Minuten, für hauswirtschaftliche Versorgung 45 Minuten. Der Hilfebedarf bestehe voraussichtlich mindestens sechs Monate. Eine Nachuntersuchung in regelmäßigen Abständen (einmal im Jahr) wurde empfohlen.
Mit Bescheid vom 29. Januar 2010 gewährte die Bg. daraufhin unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 17. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2009 Pflegegeld nach der Pflegestufe I ab 1. Februar 2009 in Höhe von 215,00 EUR. Die aufrecht erhaltene Klage verwarf das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 23. März 2010 als unzulässig. Ferner wies es mit Gerichtsbescheid vom 8. Juli 2010 eine Klage gegen den Bescheid vom 29. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2010 ab (Az.: S 14 P 36/10), die auf Verzinsung des Pflegegeldes gerichtet war. Hiergegen ist eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bayer. Landessozialgericht anhängig (Az.: L 2 P 73/10 NZB).
Die Bg. veranlasste eine Wiederholungsbegutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Der Bf. stimmte einer Begutachtung nicht zu, zumal sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe. Er beantragte, von einer Nachuntersuchung abzusehen. Die Bg. hat auf die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung hingewiesen und die Einstellung der Leistung zum 31. Januar 2011 angedroht.
Einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (Az.: S 2 P 1/11 ER) nahm der Bf. am 16. Januar 2011 zurück.
Mit Bescheid vom 18. Januar 2011 stellte die Bg. Leistungen der Pflegestufe I zum 31. Januar 2011 ein, da der Bf. den gesetzlichen Mitwirkungspflichten nach §§ 60, 62, 65, 66 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht nachgekommen sei. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2011 zurück. Nachdem der Widerspruch vom 16. Januar 2011 aufschiebende Wirkung gehabt habe, sei die Zahlung des Pflegegeldes noch für Februar 2011 veranlasst worden. Mit dem Tag der Zustellung des Widerspruchsbescheides erfolge die Einstellung der Zahlung. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Bf. am 25. Februar 2011 zugestellt.
Am 1. März 2011 sind beim Sozialgericht Regensburg eine Klage (Az.: S 2 P 26/11) sowie ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz eingegangen. Durch die Einstellung der Pflegegeldzahlung im März sei die Pflege nicht mehr sichergestellt. Die Bg. habe entgegen eines schriftlichen Verbots durch das Sozialgericht in dem Verfahren S 2 P 1/11 ER während des laufenden Widerspruchsverfahrens die Pflegeleistung eingestellt. Ferner hat der Bf. ausgeführt, dass eine Nachuntersuchung nicht erforderlich sei. Es werde von der Pflegefachkraft regelmäßig kontrolliert und festgestellt, dass die Pflege gesichert sei. Seine Behinderungen seien dauerhafter Natur, eine Besserung aussichtslos. Insgesamt habe sich der Gesundheitszustand verschlechtert. Die Möglichkeit einer Besserung sei somit nicht gegeben. Eine Nachuntersuchung sei unwirtschaftlich und unverhältnismäßig.
Die Bg. hat demgegenüber auf die Ausführungen des Dr. E. zur Notwendigkeit der Nachuntersuchung verwiesen.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit Beschluss vom 18. März 2011 abgelehnt. Die Klage habe gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) keine aufschiebende Wirkung. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG könne nicht erfolgen, weil dem öffentlichen Vollzugsinteresse gegenüber dem privaten Aufschubinteresse des Bf. der Vorzug zu geben sei, da die Kammer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht für wahrscheinlich halte...