Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Anforderung an den Umfang der Darlegungslast im sozialgerichtlichen Eilverfahren über die vorläufige Gewährung eines behaupteten Mehrbedarfs
Leitsatz (amtlich)
Kein einstweiliger Rechtsschutz, wenn weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden.
Orientierungssatz
Fehlt es beim einstweiligen Rechtsschutzverfahren über die vorläufiger Gewährung von Sozialleistungen (hier: Mehrbedarf für Schreibauslagen zur Korrespondenz mit dem Grundsicherungsträger im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende) bereits an einem Nachweis der als entstanden behaupteten Auslagen, kommt eine einstweilige Anordnung nicht in Betracht.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 10.03.2016 - S 17 AS 100/16 ER - wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Erstattung von Auslagen in Höhe von 850,00 € für die schriftliche Kommunikation des Antragstellers (Ast) mit dem Antragsgegner (Ag).
Der Ast bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Ihm war für das gesamte Jahr 2015 Hausverbot vom Ag erteilt worden, er durfte das Haus nur nach vorheriger Einladung betreten.
Seinen Antrag auf Übernahme der Kosten für den Schriftverkehr, der aufgrund des seiner Meinung nach zu Unrecht erteilten Hausverbotes anfiel, lehnte der Ag mit Bescheid vom 30.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2016 (unzutreffend: 02.01.2016) ab. Die Kosten für die ausreichende handschriftliche Kommunikation seien im Regelbedarf enthalten.
Dagegen hat der Ast Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben und zugleich einstweiligen Rechtsschutz begehrt. Die Gründe für das Hausverbot seien ihm nicht bekannt und der Ag mache nicht ausreichend von der Möglichkeit Gebrauch, ihn einzuladen. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 10.03.2016 abgelehnt. Es bestehe kein Anordnungsgrund, denn streitig seien allein im Jahr 2015 entstandene Aufwendungen, also Leistungen für einen bereits abgelaufenen Zeitraum. Durch einstweiligen Rechtsschutz solle jedoch eine gegenwärtige Notlage beseitigt, nicht aber in der Vergangenheit liegende Rechtsverhältnisse geklärt werden. Nur ausnahmsweise sei für abgelaufene Zeiträume einstweiliger Rechtsschutz zu erteilen. Ein solcher Ausnahmefall liege jedoch nicht vor. Zudem fehlten Nachweise für die geltend gemachten Kosten, so dass auch ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft dargelegt sei.
Dagegen hat der Ast Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.
Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in Bezug auf das geltend gemachte Begehren zur Regelung eines vorläufigen Zustandes stellt für den vorliegenden Rechtsstreit § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG dar, denn der Ast begehrt die Bewilligung von Leistungen. Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 BVerfGE 79, 69 (74); vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166 (179) und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel/ Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl. Rn. 652). Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der Ast sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 11. Aufl., § 86b Rn. 41). Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind hierbei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die A...