Orientierungssatz
1. Sonstige Lebenslagen iS des § 73 SGB 12 liegen nur vor, wenn sich die Hilfesituation thematisch keinem Tatbestand der im Neunten Kapitel oder aber der im übrigen SGB 12 aufgeführten Hilfen zuordnen lässt. § 73 SGB 12 kann nicht so verstanden werden, dass schon bei Nichtvorliegen einzelner Tatbestandsvoraussetzungen sonstiger im SGB 12 namentlich aufgeführten Hilfen die Hilfeleistung nach § 73 SGB 12 zu erbringen ist.
2. Die Kosten aus der Wahrnehmung des Umgangsrechts des nicht sorgeberechtigten Elternteils mit seinem Kind gehören zu einer Bedarfsgruppe, die von den Regelleistungen nach dem SGB 12 oder aber nach dem SGB 2 umfasst sind.
3. Bei den Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts handelt es sich nach den Umständen des Einzelfalles um einen unabweisbaren Bedarf iS von § 23 Abs 1 S 1 SGB 2.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 29.07.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Fahrtkosten durch den Träger der Sozialhilfe als Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der Antragsteller (Ast) beantragte beim Antragsgegner (Ag) die Übernahme der Fahrtkosten, die ihm aus der Wahrnehmung seines Umgangsrechts mit seiner Tochter entstehen.
Ein vorausgegangener entsprechender Antrag gegen die Arbeitsgemeinschaft Landkreis Miltenberg ist erfolglos geblieben. Die Arbeitsgemeinschaft Landkreis Miltenberg berief sich dabei im Wesentlichen auf die übergroße Entfernung, die der Ast in Wahrnehmung dieses Umgangsrechtes zurückzulegen habe, und auf § 73 SGB XII.
Eine Vorsprache am 30.06.2005 und eine Nachfrage am 07.07.2005 des Ast beim Ag blieben ebenfalls erfolglos. Der Ag teilte ihm mit Schreiben vom 13.07.2005 mit, dass er die Fahrtkosten nicht übernehmen werde. Die einfache Entfernung von seinem Wohnort zu dem seines Kindes betrage rund 83 km. Die Fahrtaufwendungen seien deshalb unangemessen hoch. Zudem wohne der Ast in einer unangemessen teueren Wohnung. Im Übrigen greife § 73 SGB XII nicht.
Am 15.07.2005 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) und beantragte zudem, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die Fahrtkosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit seiner Tochter zu erstatten.
Andere Gerichte hätten einen dahingehenden erhöhten Mehrbedarf anerkannt. Das könne auch unter Vorbehalt oder in Form einer darlehensweisen Bewilligung geschehen.
Der Ag beantragte, den Antrag abzulehnen.
Der Ast erhalte Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er habe deshalb keinen Anspruch nach § 73 SGB XII.
Mit Beschluss vom 29.07.2005 lehnte das SG den Antrag ab. Dem Ast dürfte zwar dem Grunde nach ein Anspruch nach § 73 SGB XII zustehen. Die Ermessensausübung des Ag, die Leistung dennoch zu verweigern, sei aber vorliegend (noch) ausreichend.
Hiergegen wendet sich der Ast mit seinem am 05.08.2005 eingegangenen Widerspruch. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, dass er in die Nähe der Kindesmutter ziehen solle. Richtig sei allerdings, dass er zur Zeit eine andere Wohnung suche. Die Berechnungen des SG seien unzutreffend, weil er das Kind am Freitag abhole und am Sonntag zurückbringe und deshalb Hin- und Rückfahrten jeweils zweimal anfielen. Einen ausdrücklichen Beschwerdeantrag stellt der Ast nicht.
Der Ag beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er wiederholt im Wesentlichen seinen bisherigen Sachvortrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Der Senat legt den Widerspruch des Ast vom 04.08.2005 dahingehend aus; eine ausdrückliche Antragsstellung im Beschwerdeverfahren ist nicht erforderlich. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (§ 174 SGG).
Die Beschwerde des Ast ist jedoch unbegründet, weil es das SG zu Recht abgelehnt hat, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zur Übernahme der geltend gemachten Fahrtkosten zu verpflichten.
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74 und vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166/179; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl 2005, RdNr 643).
Eine solche Regelungsanordnung setzt aber voraus, dass der Ast Angaben zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und zum Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch...