Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf bei unabweisbarem laufenden besonderen Bedarf. von der Krankenkasse nicht erstattete verschreibungspflichtige Medikamente. Mehrbedarf als reines Berechnungselement des Gesamtbedarfs
Leitsatz (amtlich)
Eine Erstattung verschreibungspflichtiger, aber von der Krankenkasse nicht bezahlter Medikamente durch den Leistungsträger des SGB 2; Mehrbedarf als bloßes Berechnungselement des Gesamtanspruches ist keiner vom Bewilligungsabschnitt losgelösten, gesonderten Regelung zugänglich.
Orientierungssatz
1. Der Grundsicherungsträger kann nicht isoliert über einen Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs - hier gem § 21 Abs 6 SGB 2 - entscheiden. Ein Mehrbedarf gem § 21 SGB 2 stellt lediglich ein Berechnungselement des Gesamtbedarfs dar und ist keiner vom Bewilligungszeitraum gelösten Regelung zugänglich.
2. Einen Mehrbedarf für Arzneimittel sieht das SGB 2 nicht vor. Die Kosten für medizinisch nicht notwendige Arzneimittel (außerhalb der Arzneimittelversorgung durch die Krankenkasse) sind von der Regelleistung gedeckt (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 64/06 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 2).
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 15.09.2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Streitig war im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, ob die Antragsgegnerin (Ag) die Kosten für das verschreibungspflichtige Medikament "Medikinet" zu übernehmen hat.
Der 1989 geborene Antragsteller (ASt) bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zuletzt aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 08.02.2010 für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.05.2010. Den Antrag auf - dauerhafte - Übernahme der Kosten für das aufgrund seiner Erkrankung erforderliche Medikament vom 05.03.2010 lehnte die Ag mit Bescheid vom 19.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2010 ab. Für verschreibungspflichtige Medikamente sei allein die Krankenkasse zuständig, die die Übernahme aber bereits abgelehnt habe, weil das Medikament nicht für Erwachsene zugelassen sei.
Dagegen hat der ASt Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Am 16.06.2010 hat er die vom SG zur Bewilligung von PKH nachgeforderten Unterlagen übersandt. Über die Klage ist noch nicht entschieden worden.
Zugleich mit der Klageerhebung hat der ASt einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der Kostenübernahme für das Medikament (176,47 Euro für jeweils 10 Wochen) und die Bewilligung von PKH für das einstweilige Rechtsschutzverfahren begehrt, wobei er auf die Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen im Rahmen des Hauptsacheverfahrens hingewiesen hat. Mit Schreiben vom 15.06.2010 hat das SG auf die mangelnde Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes hingewiesen und eine Rücknahme des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz angeregt. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 20.08.2010 hat es den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund sei gegeben. Zuständig für verschreibungspflichtige Medikamente sei die Krankenkasse, wobei nicht geklärt sei, ob entsprechend wirksame Medikamente für Erwachsene existierten. Obwohl der ASt drei Monate ohne Versorgung mit diesem Medikament sei, seien Ausfallerscheinungen nicht bekannt. Ein Anordnungsgrund sei daher nicht erkennbar.
Die Bewilligung von PKH für das einstweilige Rechtsschutzverfahren hat das SG mit Beschluss vom 15.09.2010 abgelehnt. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seien mangels Vorlage der Erklärung hierzu nicht nachgewiesen. Zudem habe von Anfang an keine Erfolgsaussicht bestanden.
Dagegen hat der ASt Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Eine hinreichende Erfolgsaussicht habe bestanden. Die Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen seien im Rahmen des Hauptsacheverfahrens erfolgt, auf diese sei hingewiesen worden.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des SG zum Verfahren S 15 AS 647/10 hingewiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das SG hat nicht allein mangels Vorliegens der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Bewilligung von PKH abgelehnt (§ 173 Abs 3 Nr 2 SGG). Der sog. Beschwerdewert ist vorliegend auch erreicht (§§ 172 Abs 3 Nr 1 i.V.m. 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG), denn die Ag hat den vom Ast unabhängig vom Bewilligungsabschnitt auf Dauer gestellten Antrag auf laufenden Mehrbedarf entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bzw gemäß dem daraufhin erlassenen § 21 Abs 6 SGB II mit gesondertem Bescheid abgelehnt, obwohl zutreffender Weise nur eine Ablehnung der Änderung des Bewilligungsbescheides vom 08.02.2010 zugunsten des ASt hätte erfolgen können, denn dieser Mehrbedarf stellt ledigl...