Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Gerichtskostenfeststellung. Gebührenermäßigung aufgrund der Beendigung des gesamten Verfahrens. kein Ausschluss bei erforderlicher Entscheidung über die Tragung der Kosten des Beigeladenen
Leitsatz (amtlich)
Eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG kommt nur in Betracht, wenn das Verfahren vollständig auch hinsichtlich der Kosten erledigt ist.
Nicht jegliche Kostenentscheidung nach im Übrigen vollständiger Erledigung führt zur Nichtanwendung einer Gebührenermäßigung.
Bei Klagerücknahme ist grundsätzlich von Gebührenermäßigung auszugehen.
Eine Entscheidung über die Tragung der Kosten des Beigeladenen führt nicht zu einem Ausschluss einer Gebührenermäßigung.
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 12. September 2023, S 56 SF 89/23 E, aufgehoben.
II. Die Gerichtskostenfeststellung vom 31.01.2023 wird abgeändert. Die von der Beschwerdeführerin zu zahlenden Gerichtskosten für das Verfahren S 38 KA 121/21 werden auf 382,- € festgesetzt.
Gründe
I.
Streitig ist eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 des Kostenverzeichnisses der Anlage I zum Gerichtskostengesetz (KV GKG) im Rahmen der Gerichtskostenfeststellung für das Verfahren S 38 KA 121/21.
Gegenstand des beim Sozialgericht München (SG) gegen eine Entscheidung des Beschwerdeausschusses Ärzte Bayern geführten Klageverfahrens waren Arzneimittelverordnungen. Die Klägerin, Erinnerungs- und Beschwerdeführerin (Bf), eine Krankenkasse, nahm ihre Klage nach Ladung zur mündlichen Verhandlung zurück. Das SG hatte neben der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns die anwaltlich vertretene verordnende Vertragsärztin zum Verfahren beigeladen.
Im Rahmen der Anhörung zur Kostenentscheidung beantragte der Beklagte, sämtliche Kosten der Bf aufzuerlegen. Für die beigeladene Vertragsärztin wurde beantragt, der Bf die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen einschließlich der Kosten des Vorverfahrens aufzuerlegen und die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für notwendig zu erklären. Die Bf teilte mit, sie stelle die Kostenentscheidung in das Ermessen des Gerichts.
Mit Beschluss vom 30.08.2022 wurden der Bf die Kosten des Verfahrens (Ziffer I) sowie die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen einschließlich der notwendigen Kosten des Vorverfahrens (Ziffer II) auferlegt. Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen wurde für notwendig erklärt (Ziffer III des Beschlusses). Zur Begründung von Ziffer I verwies das SG auf §§ 197a Abs.1 S.1 SGG i.V.m. 155 Abs.2 VwGO. Zu Ziffern II und III ist ausgeführt, es entspreche der Billigkeit, der Bf die Kosten aufzuerlegen, denn die beigeladene Vertragsärztin habe durch ihren Prozessbevollmächtigten das Verfahren wesentlich gefördert, indem nicht nur auf die Argumentation des Beklagten Bezug genommen, sondern auch eine eigene Begründung abgegeben worden sei. Es entspreche auch der Billigkeit, die Hinzuziehung bereits im Vorverfahren als notwendig anzusehen, zumal das erfolgreiche Betreiben des Verfahrens durch die Bf der Beigeladenen erhebliche finanzielle Belastungen zugefügt hätte.
Mit Gerichtskostenfeststellung vom 31.01.2023 wurden Gerichtskosten nach Nr. 7110 KV GKG in Höhe von 1.146,00 € festgesetzt.
Hiergegen hat die Bf am 06.03.3023 beim SG Erinnerung eingelegt. Die Klage sei zurückgenommen worden, es habe weder ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden, noch sei ein Urteil abgesetzt worden. Demnach komme nach dem Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17.04.2012, L 12 SF 268/11 B E, eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 Ziffer 1 KV GKG zur Anwendung. Der Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 08.01.2016, L 15 SF 37/12 B, sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Jedenfalls sei auf die Divergenz der Entscheidungen des 12. und des 15. Senates und auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage hinzuweisen.
Die Klage sei im Übrigen versehentlich erhoben worden, eine Grundsatzfrage sei in diesem Verfahren nicht streitgegenständlich gewesen. In einem Telefonat mit dem Vorsitzenden der 38. Kammer habe die Bf zu erkennen gegeben, dass ihr bewusst sei, dass sie auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen und dagegen keine Einwände habe. Daher habe sie in ihrer schriftlichen Stellungnahme die Kostenentscheidung in das Ermessen des Gerichts gestellt. Es habe zu keiner Zeit Dissens über die Verpflichtung zur Kostentragung bestanden. Im Übrigen seien in sieben von neun versehentlich erhobenen Klagen die nicht verbrauchten Gerichtskosten gutgeschrieben worden.
Das SG hat mit Beschluss vom am 12.09.2023 die Erinnerung zurückgewiesen. In der Gerichtskostenfeststellung vom 31.01.2023 sei zu Recht eine Gebühr nach Nr. 7110 KV GKG in Ansatz gebracht worden. Die Voraussetzungen der Nr. 7111 KV GKG seien nicht erfüllt.
Vorliegend stehe der Erlass einer streitigen Kostenentscheidung nach inhaltlicher Prüfung durch das Gericht einer Ermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG entgegen. De...