Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Feststellung der aufschiebenden Wirkung im Falle des Vollzugs durch die Verwaltung
Leitsatz (amtlich)
1. Soweit sich die Verwaltung nicht an die aufschiebende Wirkung hält, sondern trotzdem vollzieht, ist entsprechend § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG ein Antrag auf gerichtliche Feststellung der aufschiebenden Wirkung möglich.
2. Eine selbständige Klage auf gerichtliche Feststellung der aufschiebenden Wirkung einer früher erhobenen Klage bzw. eines Rechtsmittels ist unzulässig (vgl BSG vom 26.3.1962 - 6 RKa 9/61 = SozR Nr 34 zu § 55 SGG).
Tenor
I. Der Antrag der Antragstellerin auf einstweiligen Rechtsschutz wird als unzulässig verworfen.
II. Die Antragsgegnerin hat Antragstellerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung einer überzahlten Altersrente. Wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen stellte die Antragsgegnerin (Ag) mit Bescheid vom 27.06.2008 und Widerspruchsbescheid vom 17.10.2008 eine Überzahlung in Höhe von 450,87 EUR fest und forderte diesen Betrag von der Antragstellerin (ASt) zurück. Im nachfolgenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Würzburg hat die ASt beantragt, den Bescheid vom 27.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides insoweit aufzuheben, als die Rückforderung den Hinzuverdienst übersteigt. Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 20.08.2009 die Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen.
Gegen die Nichtzulassung der Berufung hat die ASt mit Schriftsatz vom 19.09.2009 am 21.09.2009 Beschwerde beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt (L 20 R 841/09 NZB). Gleichzeitig hat sie vorgebracht, der Beschwerde komme aufschiebende Wirkung zu. Der Gerichtsbescheid dürfe von der Ag nicht mittels eines Rückforderungsbescheides vollzogen werden. Ggf. beantrage sie, die Herstellung der aufschiebenden Wirkung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes anzuordnen.
Mit Schriftsatz vom 23.09.2009 hat die ASt auf ein ihrem Prozessbevollmächtigten am 23.09.2009 zugegangenes Schreiben der Ag vom 15.09.2009 Bezug genommen, mit dem diese die mit Bescheid vom 27.06.2008 festgestellte Überzahlung zurückgefordert und auf die Möglichkeit des zwangsweisen Einzugs der Überzahlung hingewiesen habe. Die Rückforderung widerspreche der aufschiebenden Wirkung infolge der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde. Daher beantrage sie, den Vollzug aus dem Gerichtsbescheid vom 20.09.2009 bis zur Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde einstweilen auszusetzen, respektive die aufschiebende Wirkung der Nichtzulassungsbeschwerde festzustellen. Zusätzlich begehre sie die Aussetzung des Vollzuges des Gerichtsbescheides durch den Rückforderungsbescheid vom 15.09.2009. Des Weiteren erhebe sie eine Feststellungsklage und beantrage festzustellen, dass zwischen den Beteiligten kein materielles Forderungsverhältnis für die Dauer des Beschwerdeverfahrens bestehe. Hilfsweise werde eine Vollstreckungsabwehrklage erhoben, da mit der Hemmung der Rechtskraft infolge der Einlegung der Beschwerde ein Vollstreckungshemmnis bestehe.
Die Ag beantragt, den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Nichtzulassungsbeschwerde mangels Erfordernis abzuweisen (Schriftsatz vom 16.10.2009).
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Ag und der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist unzulässig. Denn der ASt fehlt es zum maßgebenden Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage, dem Zeitpunkt der Entscheidung des Senats über den Antrag (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr 18), am Rechtsschutzbedürfnis für die Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes.
Zunächst ist klarzustellen, dass die von der ASt begehrte Aussetzung des "Vollzuges" aus dem Gerichtsbescheid vom 20.09.2009 nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erreicht werden kann, da - wie hier - klageabweisende Urteile oder Gerichtsbescheide nicht der Vollstreckung fähig sind. Vollstreckungsmaßnahmen können nur auf den angefochtenen Bescheid vom 27.06.2008 gestützt werden. Die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde hemmt allerdings nicht nur die Rechtskraft des Gerichtsbescheides vom 20.08.2009, die Beschwerde hat auch aufschiebende Wirkung (§§ 145 Abs 3, 154 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Es liegt insoweit auch ein Anwendungsfall des § 154 Abs 1 SGG vor, da die erstinstanzlich erhobene Anfechtungsklage nach § 86a Abs 1 S 1 SGG Aufschub bewirkt. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde bedeutet, dass der angefochtene Bescheid vom 27.06.2008 nicht umgesetzt werden darf, mithin die Ag alles zu unterlassen hat, was eine Vollziehung des Bescheides darstellen würde.
Soweit sich die Verwaltung nicht an die aufschiebende Wirkung hält, sondern - wie vorliegend die Ag mittels erneuter Rückforderung vom 15.09.2009 - trotzdem vollzieht, ist ein Antrag auf gerichtliche Feststellung der...