Leitsatz (amtlich)

Ob bei Mietschulden für eine einstweilige Anordnung ein Anordnungsgrund besteht, erfordert eine Abwägung der Umstände des Einzelfalls. Eine Räumungsklage ist dafür nicht in jedem Fall erforderlich.

Die Rechtsprechung des BSG zur Angemessenheitsgrenze bei den Kosten der Unterkunft für den Fall, dass kein schlüssiges Konzept vorliegt, ist ab 01.01.2009 auf § 12 Wohngeldgesetz übertragbar. Maßstab ist dann der einschlägige Tabellenwert zu § 12 WoGG plus 10 % Zuschlag. Hinzu kommen die Heizkosten, die von § 12 WoGG nicht erfasst werden.

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird Ziffer III. des Beschlusses des Sozialgerichts Regensburg vom 14.11.2012 aufgehoben und dem Antragsteller für das erstinstanzliche Eilverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin M. S. bewilligt.

 

Gründe

I.

Der 1993 geborene Antragsteller bewohnte zunächst zusammen mit seiner Mutter eine Dreizimmerwohnung, für die monatlich eine Kaltmiete von 256,- Euro, Betriebskosten von 43,- Euro, Kabelgebühren von 15,- Euro und Heizkosten von 76,- (zusammen 390,- Euro) Euro anfallen. Hinzu kommt ein Stellplatz für 3,- Euro. Mieterin der Wohnung ist die Mutter des Antragstellers. Sie zog im Frühjahr 2012 in eine andere Ortschaft.

Am 26.06.2012 beantragte der Antragsteller die Gewährung eines Darlehens für die seit März 2012 entstandenen Mietschulden. Dies lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 06.07.2012 ab. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Die Wohnung sei nicht erhaltenswert, weil die Miete nicht angemessen sei. Angemessen sei lediglich eine Miete von 300,- Euro. Der Vermieter habe kein Interesse, mit dem Antragsteller einen Mietvertrag abzuschließen. Dagegen wurde Klage erhoben.

Mit Bescheid vom 09.07.2012 wurde dem Antragsteller Arbeitslosengeld II für die Zeit von 30.06.2012 bis 31.12.2012 in Höhe von monatlich 479,33 Euro bewilligt.

Der Vermieter kündigte mit Schreiben vom 20.09.2012 gegenüber der Mutter des Antragstellers das Mietverhältnis zum 15.10.2012 wegen Mietrückstands in Höhe von 1121,35 Euro.

Am 01.10.2012 stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers beim Sozialgericht Regensburg einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wegen Übernahme der Mietschulden, notfalls als Darlehen. Zugleich wurde Prozesskostenhilfe beantragt und eine Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorgelegt.

Das Sozialgericht lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 14.11.2012 ab. Ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft, weil der Vermieter zwar eine fristlose Kündigung ausgesprochen, aber noch keine Räumungsklage erhoben habe. Hinzu komme, dass die Wohnung für den einen Alleinstehenden zu groß und zu teuer sei. Die Rechtsprechung des BSG zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) sei bezüglich des Zuschlags von 10 % nicht auf § 12 WoGG übertragbar. Außerdem seien die Mietrückstände inzwischen angestiegen und mangels Mietvertrag sei eine Rechtspflicht des Antragstellers zur Zahlung von Unterkunftskosten nicht feststellbar. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe sei mangels Erfolgsaussicht abzulehnen (Ziffer III des Beschlusses). Der Beschluss wurde am 16.11.2012 zugestellt.

Am 21.11.2012 wurde Räumungsklage gegen den Antragsteller und seine Mutter erhoben.

Der Antragsteller hat am Montag, den 17.12.2012, Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts bezüglich der Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren eingelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist auch statthaft, da sie nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 und 2 SGG ausgeschlossen ist.

Die Beschwerde ist begründet, weil dem Beschwerdeführer für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren ist.

Prozesskostenhilfe ist nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) einem Kläger bzw. Antragsteller zu gewähren, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Der Beschwerdeführer ist ausweislich seiner Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung zu tragen. Er bezieht laufend Arbeitslosengeld II und verfügt nach seinen Angaben nicht über Vermögen.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hatte auch vor Erhebung der Räumungsklage eine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht bereits dann, wenn der Rechtsstandpunkt des Antragstellers zumindest vertretbar ist.

Ein Anordnungsgrund ist auch vor Erhebung der Räumungsklage des Vermieters denkbar. Die eigene Wohnung ist der Lebensmittelpunkt der Bewohner. Es ist den Betroffenen nicht regelmäßig zuzumuten, einen zivilrechtlichen Kündigungsgrund nach §§ 543, 569 ...

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