Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz gegen bestandskräftige Bescheide oder Bescheide für die Vergangenheit
Leitsatz (amtlich)
Soweit Bescheide bestandskräftig sind, ist ein darauf bezogener Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nicht zulässig. Einstweiliger Rechtsschutz dient einer vorläufigen Regelung für die Zeit bis zur bestandskräftigen Entscheidung. Bei Bestandskraft gibt es keinen Zwischenzeitraum mehr.
Normenkette
SGG §§ 77, 86b
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 5. November 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die 1983 geborene Antragstellerin bezieht zusammen mit ihrem im März 2008 geborenen Sohn seit Jahren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Antragsgegnerin.
Am 11.10.2010 stellte die Antragstellerin beim Sozialgericht Regensburg einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (S 8 AS 912/10 ER). Die Antragsgegnerin solle verpflichtet werden, die Bescheide der letzten fünf Jahre erneut zu berechnen und Leistungen nachzuzahlen.
Mit Schreiben vom 03.11.2010 teilte die Antragstellerin dem Sozialgericht mit, dass der Antrag als Antrag auf Überprüfung sämtlicher Leistungs- und Bewilligungsbescheide der vergangenen fünf Jahre zu verstehen sei. Insgesamt seien 12 Bescheide ergangen, so dass auch 12 eigenständige Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorlägen.
Das Sozialgericht Regensburg legte daraufhin 11 weitere Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes an mit den Aktenzeichen:
* S 8 AS 1021/10 ER,
* S 8 AS 1022/10 ER,
* S 8 AS 1023/10 ER,
* S 8 AS 1024/10 ER,
* S 8 AS 1025/10 ER,
* S 8 AS 1026/10 ER,
* S 8 AS 1027/10 ER,
* S 8 AS 1028/10 ER,
* S 8 AS 1029/10 ER,
* S 8 AS 1030/10 ER,
* S 8 AS 1031/10 ER.
Mit Beschluss vom 05.11.210 verband das Sozialgericht die 12 Eilverfahren und lehnte der Antrag auf Erlass einer einstelligen Anordnung ab. Soweit die Bewilligungsbescheide bestandskräftig seien, sei fraglich ob der Eilantrag überhaupt zulässig sei. Im Übrigen sei der Eilantrag jedenfalls unbegründet, weil er sich auf bereits abgelaufene Zeiträume beziehe. Die Überprüfung der Vergangenheit sei dem Hauptverfahren vorbehalten. Eine besondere Eilbedürftigkeit sei nicht erkennbar. Der Beschluss wurde laut Postzustellungsurkunde (in der Akte S 8 AS 1031/10 ER) am 16.11.2010 zugestellt.
Am 16.12.2010 hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Eine Begründung erfolgte nicht. Die Gewährung von Leistungen ab 01.11.2010 ist Gegenstand eines anderen Beschwerdeverfahrens (L 7 AS 954/10 B ER).
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 05.11.2010 aufzuheben und die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, weitere Leistungen für die Zeit von 01.01.2005 bis 31.10.2010 zu erbringen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt hat.
Soweit die früheren Bewilligungsbescheide bestandskräftig sind, ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unzulässig. Ausgehend vom Streitgegenstand eines Eilverfahrens, zu prüfen, inwieweit dem Antragsteller für einen Zwischenraum bis zur bestandskräftigen Hauptsacheentscheidung eine bestimmte Rechtsposition zusteht, ist ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bei einer bindenden Hauptsacheentscheidung bereits unzulässig (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 86b Rn. 26d). Es gibt dann keine Rechtsposition, die bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren gesichert werden könnte.
Soweit die früheren Bescheide nicht bestandskräftig sind, betreffen sie Zeiträume in der Vergangenheit. Es ist aber nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit, also für die Zeit vor Anhängigkeit des Eilverfahrens herbeizuführen. Dies ist Aufgabe eines Hauptsacheverfahrens. Ein Ausnahmefall einer in die Gegenwart fortwirkenden Notlage ist hier nicht glaubhaft gemacht. Der Antrag bleibt daher auch insoweit ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Fundstellen