Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Erinnerung gegen den Kostenansatz. Auslegung gerichtlicher Schreiben. bindende Verfügung des Hauptsacherichters: Anforderung einer Gerichtskostenvorauszahlung iS des § 12a GKG iVm § 12 Abs 1 GKG. Aufhebung eines davon abweichenden Kostenansatzes des Kostenbeamten gemäß § 19 GKG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Auslegung gerichtlicher Schreiben.

2. Hat der Hauptsacherichter nicht die Erhebung von Gerichtskosten im Wege eines Kostenansatzes gemäß § 19 GKG, sondern die Anforderung einer Gerichtskostenvorauszahlung im Sinn des § 12a GKG iVm § 12 Abs 1 GKG verfügt, bindet dies auch im Kostenansatzverfahren. Eine Erhebung von Gerichtskosten im Wege eines Kostenansatzes gemäß § 19 GKG ist daher aufzuheben.

 

Normenkette

GKG § 12 Abs. 1 S. 1, §§ 12a, 19, 26, 63 Abs. 1 S. 2, § 66 Abs. 1 S. 1, Abs. 6 S. 1, § 68 Abs. 1; SGG § 197a Abs. 1 S. 1; VwGO § 253 Abs. 1, § 261

 

Tenor

Die Anforderung von Gerichtskosten mit Schreiben vom 25. Januar 2016 wird aufgehoben.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Anforderung von Gerichtskosten durch die Kostenbeamtin im Rahmen eines Klageverfahrens zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens im Sinn von §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz.

In dem unter dem Aktenzeichen beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) geführten Klageverfahren (im Folgenden: Hauptsacheverfahren) macht die dortige Klägerin und jetzige Erinnerungsführerin einen Anspruch auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens geltend. Am 20.01.2016 verfügte der Richter im Hauptsacheverfahren (im Folgenden: Hauptsacherichter) einen vorläufigen Streitwert in Höhe von 5.000,- € und bat die Kostenbeamtin um Anforderung einer "Gerichtskostenvorauszahlung" bei der Erinnerungsführerin.

Anschließend forderte die Kostenbeamtin mit Schreiben vom 25.01.2016 bei der Erinnerungsführerin unter Zugrundelegung eines Streitwerts von 5.000,- € Gerichtskosten in Höhe von 584,- € an; das Schreiben ist als "Kostennachricht" bezeichnet. Der Rechnungsbetrag von 584,- € wurde als am 23.03.2016 fällig bezeichnet. Im Rahmen der Rechtsbehelfsbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass "gegen diesen Kostenansatz ... Erinnerung eingelegt werden" könne, die Erinnerung aber "nicht von der Verpflichtung, den geforderten Betrag vorläufig zu bezahlen", entbinde.

Dagegen hat die durch ihren Ehemann vertretene Erinnerungsführerin mit Schreiben vom 16.03.2016 Erinnerung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass im Hauptsacheverfahren ein Entschädigungsbetrag von ihr nicht angegeben worden sei, sondern nur die Zeiten des Klageverfahrens. Der Wert des Streitgegenstands könne nicht rein willkürlich durch Interpretation in der Weise festgesetzt werden, dass der Entschädigungsklägerin die Klage durch eine maßlos überhöhte Streitwertfestsetzung unmöglich gemacht werde. Weiter hat sie darauf hingewiesen, dass ihr Ehemann Schwerkriegsbeschädigter sei und im bestehenden Verfahren Themen behandelt würden, die ausschließlich die Verzögerung im sozialen Entschädigungsrecht in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz beträfen. Die Festsetzung einer Vorauszahlung erachte sie für rechtswidrig. Ein beschwerdefähiger Beschluss nach § 67 Gerichtskostengesetz (GKG) und/oder § 68 GKG liege nicht vor.

Die von der Erinnerungsführerin beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Erinnerung hat der Senat mit Beschluss vom 09.08.2016 und der Begründung, dass für das Verfahren der Erinnerung gegen den Kostenansatz nach § 66 GKG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gesetzlich nicht vorgesehen sei, abgelehnt.

Beigezogen worden sind die Akten des Hauptsacheverfahrens.

II.

Die Erinnerung ist gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 197 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie ist auch begründet.

Das als "Kostennachricht" bezeichnete Schreiben der Kostenbeamtin des LSG vom 25.01.2016 stellt, wie seine Auslegung ergibt, eine Gerichtskostenfeststellung im Sinn eines Kostenansatzes gemäß § 19 GKG dar. Eine solche hätte nicht erfolgen dürfen, da sie nicht vom Hauptsacherichter verfügt worden ist.

1. Prüfungsumfang bei der Erinnerung

Eine Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden (vgl. Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 13.02.1992, Az.: V ZR 112/90, und vom 20.09.2007, Az.: IX ZB 35/07; Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 29.06.2006, Az.: VI E 2/06; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 01.08.2014, Az.: L 15 SF 90/14 E; Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, § 66 GKG, Rdnr. 18; Meyer, GKG/FamGKG, 15. Aufl. 2016, § 66, Rdnr. 13), nicht aber auf die (vermeintliche oder tatsächliche) Unrichtigkeit einer im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidung. Die im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidungen sind wegen der insofern eingetretenen Bestandskraft (§ 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 158 Verwaltungsgerichtsordnung bzw. § 68 Abs. 1 GKG) einer Überprüfung ...

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