Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. abweichende Leistungserbringung. Darlehen. Aufwendungen für Besuchsfahrten zu Verwandten
Leitsatz (amtlich)
Die Aufwendungen für Besuchsfahrten zu Verwandten sind im Rahmen des Regelbedarfs berücksichtigt. Fahrtkosten zu einem monatlichen Besuch des Vaters in einem Pflegeheim begründen in der Regel keine atypische Bedarfslage.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.11.2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) insbesondere für Besuchsfahrten des Vaters bzw Großvaters.
Die Antragsteller (ASt) beziehen Alg II bzw Sozialgeld vom Antragsgegner (Ag). Zuletzt wurden ihnen mit Bescheid vom 23.08.2017 idF des Änderungsbescheides vom 26.09.2017 vorläufig Leistungen für September 2017 bis Februar 2018 (September bis November 2017: 1.646,55 € monatlich; Dezember 2017: 1.658,56 €; Januar bis Februar 2018: 1.660,55 €) ua unter Berücksichtigung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs des ASt zu 2. (81,80 €), eines besonderen Bedarfs der ASt zu 4. (92,75 €) und eines Einkommens der ASt zu 1. aus Erwerbstätigkeit iHv insgesamt 860 € brutto bewilligt. Dagegen legten die ASt Widerspruch ein. Einen Antrag vom 25.09.2017 auf Übernahme von Fahrtkosten der ASt zu 1. zu ihrem akut erkrankten und pflegebedürftigen Vater im Umfang von vierzehntäglich 75 € lehnte der Ag mit Bescheid vom 26.09.2017 ab. Die Bewilligungsentscheidung bzgl September 2017 bis Februar 2018 sei überprüft worden. Mangels unabweisbarem Bedarf sei kein weiterer Mehrbedarf zu berücksichtigen, weshalb auch keine höheren Leistungen zu gewähren seien. Mit Änderungsbescheid vom 28.09.2017 wurde ein Antrag auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs des ASt zu 2. bezüglich der Kosten für Voltaren Emulgel zur Schmerzbehandlung der beiden künstlichen Bandscheibenprothesen in der Halswirbelsäule abgelehnt.
Den gegen den Bescheid vom 23.08.2017 eingelegten Widerspruch wies der Ag mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.2017 zurück. Dagegen haben die ASt Klage beim Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben (S 17 AS 610/17). Es sei ein Bewilligungszeitraum von zwölf Monaten, ein pauschaler Mehrbedarf für die Neurodermitislotion und ein Bedarf für die Kosten der Garage iHv 33 € monatlich zu berücksichtigen. Über die Klage ist bislang nicht entschieden.
Am 09.10.2017 haben die ASt beim SG einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Der 80-jährige Vater der ASt zu 1. habe im August 2017 einen Schlaganfall erlitten und sei gelähmt. Seit 22.09.2017 sei er in einem Pflegeheim. Er habe Probleme beim Sprechen, Schlucken und Trinken und müsse gefüttert werden. Die Mutter könne dies aufgrund ihres Alters und ihrer gesundheitlichen Verfassung nicht leisten. So sei eine persönliche Betreuung durch die Ast zu 1. notwendig. Es seien Fahrtkosten für eine monatliche Besuchsfahrt iHv 64 € (Hin- und Rückfahrt) nach F-Stadt zu übernehmen. Auch vorher sei sie zu ihrem Vater gefahren, jedoch habe sich die Situation durch den Schlaganfall verändert. Die Besuche seien moralisch und gesundheitlich angezeigt sowie zielführend. Sie spreche mit den Ärzten und dem Pflegepersonal. Ferner kümmere sie sich um Dinge, die das Pflegeheim nicht durchführen könne. Ihre Schwester könne sich nicht um alles kümmern. Die Eltern hätten keine Mittel, um dies zu bezahlen. Am 25./26.09.2017 seien Tankkosten für eine Fahrt mit dem Kfz angefallen. Auch seien Kosten für Besuchsfahrten einschließlich Übernachtung für die gesamte Bedarfsgemeinschaft mindesten vierteljährlich nunmehr beantragt worden und hierfür einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren. Eine Hin- und Rückfahrt am gleichen Tag sei schon im Hinblick auf die Bandscheibenimplantate beim ASt zu 2. nicht zumutbar. Es gehe um den verfassungsmäßigen Schutz der Ehe und Familie. Der Opa habe das Recht, seine Familie sehen zu dürfen.
Mit Beschluss vom 14.11.2017 hat das SG den Antrag abgelehnt. Ein besonderer Bedarf der ASt sei nicht glaubhaft gemacht worden. Die geltend gemachten Fahrtkosten seien in der Regelleistung bereits enthalten. Ein atypischer Fall liege nicht vor, da die ASt zu 1. es nicht glaubhaft gemacht habe, dass sie tatsächlich vermehrte Fahrten zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben im Hinblick auf eine akute schwerwiegende Erkrankung ihres Vaters machen müsse. Die Besuchsfahrten der ganzen Bedarfsgemeinschaft seien im Rahmen der Regelbedarfsfestsetzung berücksichtigt, da hierzu auch die Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen zähle. Der soziale Kontakt mit Enkelkindern oder dem Schwiegersohn stehe nicht unter einem besonderen Schutz durch das Grundgesetz (GG). Ein unabweisbarer Sondermehrbedarf sei nicht festzustellen. Schließlich sei auch ein nächster Besuchstermin der ASt. zu 2. bis 5 nicht näher konkretisiert worden, w...