Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Kostenerstattung. Rechtsmittelerfolg aufgrund einer Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen während des Gerichtsverfahrens. Kostenquotelung. Prozesskostenhilfe. Bedürftigkeitsprüfung. Einsatz von Vermögen
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Verpflichtung, Kosten gemäß § 193 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu erstatten, wenn der Erfolg eines Rechtsmittels auf Sachverhaltsänderungen iS von § 48 Abs 1 S 1 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren (SGB 10) während des Gerichtsverfahrens beruht, ist sowohl das "Veranlassungsprinzip" als auch das "Erfolgsprinzip" mit einer dem Einzelfall angemessenen Kostenquotelung zu berücksichtigen.
2. Prozesskostenhilfe steht einer pensionierten Beamtin gemäß § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 115 Abs 1 ZPO nicht zu, wenn der notwendige Lebensunterhalt durch die laufenden Pensionsbezüge gedeckt werden kann und demzufolge eine bestehende Kapitallebensversicherung vorwiegend der weiteren Kapitalbildung und nicht der Alterssicherung dient.
Tenor
I. Der Beklagte erstattet der Klägerin 8/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter gleichzeitiger Beiordnung von Frau Rechtsanwältin B. wird abgelehnt.
Gründe
In dem am Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) anhängig gewesenen Rechtsstreit L 15 SB 59/06 ist zwischen den Beteiligten die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft i. S. v. §§ 2 Abs. 2, 69 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches -Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt streitig gewesen.
Der vormals passivlegitimierte Beklagte Freistaat Bayern hat mit Abhilfebescheid vom 05.12.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2004 den Grad der Behinderung (GdB) mit 30 bewertet. Die hiergegen gerichtete Klage ist mit Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 08.02.2006 - S 15 SB 685/04 - abgewiesen worden.
Nach Umzug der Klägerin in das Land Hessen bzw. anschließend in das Land Berlin hat das BayLSG mit Beschluss vom 11.05.2007 den nunmehrigen Beklagten in das Verfahren aufgenommen. Frau Rechtsanwältin B. hat mit Schriftsatz vom 02.06.2008 angezeigt, dass sie die Klägerin vertrete. Der gleichzeitig gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist bis zum Abschluss des zweitinstanzlichen Verfahrens noch nicht verbeschieden worden.
Der nunmehrige Beklagte hat mit Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales vom 13.02.2009 den GdB mit Wirkung ab Januar 2007 mit 60 festgestellt. Entsprechend der Anfrage des BayLSG vom 06.03.2009 hat die Bevollmächtigte der Klägerin den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 11.03.2009 in der Hauptsache für erledigt erklärt. Gleichzeitig hat sie beantragt, die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen. Sollte dies nicht erfolgen, so werde auf ihren Prozesskostenhilfeantrag verwiesen.
Der Beklagte ist mit Nachricht des BayLSG vom 13.03.2009 entsprechend in Kenntnis gesetzt worden.
II.
Zur Verpflichtung, Kosten gemäß § 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu erstatten, wenn der Erfolg eines Rechtsmittels auf Änderungen während des Gerichtsverfahrens beruht, hat sich das BayLSG mit Beschluss vom 26.06.2000 - L 14 RJ 292/96 (ASR 3/2000 S. 97 ff.) grundlegend geäußert. In Würdigung des "Veranlassungsprinzips" einerseits und des "Erfolgsprinzips" andererseits ist es als gerechtfertigt erachtet worden, dem (dortigen) Kläger 4/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Das BayLSG hat mit weiterem Beschluss vom 07.09.1998 - L 16 B 199/98 LW in Fällen wie diesem eine hälftige Kostenerstattung befürwortet. Weiterhin hat das BayLSG mit Beschluss vom 12.09.2000 - L 14 B 222/00 RJ der (dortigen) Klägerin 2/3 der außergerichtlichen Kosten zugesprochen.
Auch hier ist daran festzuhalten, dass sowohl das "Veranlassungsprinzip" einerseits als auch das "Erfolgsprinzip" andererseits zu berücksichtigen sind. Diesem Erfordernis kann grundsätzlich auf zweierlei Wegen Rechnung getragen werden:
Entweder übernimmt der Beklagte in Fällen wie dem vorliegenden die wesentlichen Kosten im Berufungsverfahren; folgerichtig ist dann, dass die Kosten des Verwaltungs- und erstinstanzlichen Verfahrens nicht übernommen werden. Oder man geht von dem Grundsatz der Einheit der Kostenentscheidung einschließlich der Kosten des Vorverfahrens aus, wie dies das BayLSG mit Beschluss vom 10.10.1996 - L 5 B 198/95 Ar (Breithaupt 1998, S. 454 ff.) befürwortet hat. Dann muss allerdings hinsichtlich der Gesamtkosten des Verfahrens ein größerer Abschlag hingenommen werden.
Hier hat die Klägerin ausweislich des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts München vom 08.02.2006 beantragt, unter Abänderung des Bescheides vom 05.12.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2004 den (vormals zuständigen) Beklagten zu verurteilen, einen Gesamtgrad der Behinderung von mindestens 50 ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt festzustellen. Sie hat jedoch nur insoweit einen Teilerfo...