Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. medizinisches Gutachten. Zeitaufwand. Bemessungskriterien. zusätzlich notwendiges Literaturstudium. sehr spezielle Beweisfragen
Leitsatz (amtlich)
Literaturstudium ist zB notwendig bei sehr speziellen Beweisfragen ("Hätten im Rahmen eines Off-Label-Use die Gefahren eines vorzeitigen Aborts vermindert oder beseitigt werden können") mit deshalb notwendiger Sichtung aktueller Literatur.
Orientierungssatz
Zu den Bemessungskriterien für die Feststellung der Vergütung für in erster Linie medizinische Gutachten nach dem JVEG.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 23.01.2010 wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 23.12.2009 - S 44 SF 879/09 E insoweit abgeändert, als die Vergütung des Beschwerdeführers für sein Gutachten vom 09.09.2009 auf 2.330,25 EUR festgesetzt wird.
II. Dem Beschwerdeführer sind 382,50 EUR nachzuentrichten.
III. Im Übrigen wird die Beschwerde des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
Gründe
I.
In dem am Sozialgericht München anhängigen Rechtsstreit R. F. gegen BKK Mobil Oil mit Az.: S 44 KR 1216/08 ist der Antragsteller und hiesige Beschwerdeführer mit Beweisanordnung des Sozialgerichts München vom 24.06.2009 gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt worden. Zu klären war insbesondere die Frage, ob im Rahmen eines Off-Lable-Use die Gefahr eines vorzeitigen Aborts hat vermindert oder beseitigt werden können bzw. welche Risiken für Mutter und Kind aufgrund des Off-Lable-Use bestanden haben.
Der Beschwerdeführer hat für sein Gutachten vom 09.09.2009 insgesamt 2.457,75 EUR in Rechnung gestellt, die sich wie folgt aufschlüsseln:
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- Aktenstudium (ca. 120 Seiten) |
9,5 Stunden |
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- Abfassung (27 Seiten) |
13,5 Stunden |
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- Korrektur |
5,5 Stunden |
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28,5 Stunden á 85,00 EUR = |
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2.422,50 EUR |
- Schreibgebühren für 46.084 Anschläge |
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35,25 EUR |
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2.457,75 EUR |
Der Kostenbeamte des Sozialgerichts München hat mit Nachricht vom 20.11.2009 lediglich 1.947,75 EUR bewilligt. Insgesamt seien nur 22,5 Stunden à 85,00 EUR pro Stunde = 1.912,50 EUR zu vergüten, weil sich der objektiv erforderliche Zeitaufwand wie folgt aufschlüssele: Aktenstudium 1,20 Stunden, Abfassung des Gutachtens 17,50 Stunden und Diktat und Durchsicht insgesamt 3,50 Stunden. Zuzüglich der Schreibgebühren wie beantragt in Höhe von 35,25 EUR ergäbe sich eine Gesamtvergütung von 1.947,75 EUR.
Das Sozialgericht München hat mit Beschluss vom 23.12.2009 die Vergütung des Beschwerdeführers für sein Gutachten vom 09.09.2009 auf 1.947,75 EUR festgesetzt und die Entscheidung des Kostenbeamten des Sozialgerichts München bestätigt, weil die Recherche und das Literaturstudium nicht mit 8,3 Stunden gesondert zu vergüten seien. Ausgehend von der üblichen Schreibweise von 30 Zeilen à 60 Anschlägen pro Seite bei insgesamt 21 berücksichtigungsfähigen Seiten könnten 3,5 Stunden angesetzt werden.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde vom 23.01.2010 ging am 27.01.2010 beim Sozialgericht München und am 05.02.2010 beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Zur Begründung hob der Beschwerdeführer hervor, dass die Thematik des Gutachtens komplex und überdurchschnittlich anspruchsvoll gewesen sei. Er habe 16 Quellen recherchieren und verwenden müssen. Die Kürzung um gerundete 6 Stunden sei nicht gerechtfertigt. - Leider sei in keiner Weise darauf eingegangen worden, dass eine vorherige Information über die Vergütungsregelungen geholfen hätte. In Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Hinweise würden sich auch nach der geänderten Kostennote vom 23.01.2010 2.457,75 EUR errechnen, weil 28,2 Stunden zu vergüten seien, die sich wie folgt aufschlüsseln: Aktenstudium 1,2 Stunden, Abfassung 17,5 Stunden, Diktat und Durchsicht 3,5 Stunden sowie Literaturrecherche und Anforderung relevanter Zusatzinformationen bei dem betreuenden Frauenarzt mit Auswertung derselben 6 Stunden.
- Weiterhin sollte vorab auf die Abrechnungsmechanismen hingewiesen werden, damit Sachverständige weiterhin bereit seien, Gutachten zu erstellen, ohne sich über Gebühr im Nachhinein erklären lassen zu müssen, wie viel Zeit sie für welche Tätigkeit hätten maximal verbringen dürfen.
Von Seiten des 15. Senats des BayLSG als Kostensenat wurden die erstinstanzlichen Streit- und Kostenakten beigezogen. Der Beschwerdegegner wurde mit Nachricht vom 10.02.2010 entsprechend in Kenntnis gesetzt.
II.
Die gemäß §§ 172 Abs.1, 173 SGG in Verbindung mit § 4 Abs.3 JVEG zulässige Beschwerde erweist sich teilweise als begründet. Die Vergütung des Beschwerdeführers für sein Gutachten vom 09.09.2009 ist gemäß § 4 Abs.1 JVEG auf 2.330,25 EUR festzusetzen. Dem Beschwerdeführer sind 382,50 EUR nachzuentrichten.
Das BayLSG hat mit Grundsatzentscheidung vom 19.03.2007 - L 14 R 42/03.Ko - die Vergütung ärztlicher Sachverständiger mit Wirkung für die Zukunft grundlegend neu geregelt. In Beachtung dieser Rechtsprechung hat der Präsident des BayLSG mit Weisung vom 25.05.2007 "Neue Bemessungskrite...