Leitsatz (amtlich)
Nach dem Beschluss des BVerfG vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, ist im Eilverfahren wegen existenzsichernden Leistungen anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, wenn (1.) schwere und unzumutbare Rechtsbeeinträchtigungen entstehen können, (2.) der unveränderte Prüfungsmaßstab des § 86b SGG zu einer Ablehnung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz führen würde und (3.) die Sach- und Rechtslage nicht abschließend geprüft werden kann.
Wenn diese drei Voraussetzungen vorliegen, ist bei der Abwägung des öffentlichen Interesses am Sofortvollzug der strittigen Regelung und dem privaten Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsaktes vorerst verschont zu bleiben, auf Seiten der Interessen des Antragstellers eine Folgenabwägung durchzuführen. Damit werden die Vorgaben des BVerfG auch bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung umgesetzt.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen Ziffer I. und II. des Beschlusses des Sozialgerichts Landshut vom 28. Januar 2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren ab Antragstellung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts B. gewährt. Ratenzahlungen sind nicht zu erbringen.
Gründe
I.
Streitig ist im Eilverfahren eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 100 vom Hundert wegen einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung.
Der 1965 geborene Antragsteller und Beschwerdeführer war bis Ende 2005 als selbständiger Handwerker erwerbstätig. Ende 2005 beantragte er erstmals Arbeitslosengeld II beim Antragsgegner.
Mit Bescheid vom 29.02.2012 (S. 380 der Verwaltungsakte) wurde das Arbeitslosengeld II des Antragstellers wegen einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung für April, Mai und Juni 2012 vollständig aufgehoben. Ein Widerspruch dagegen ist nicht ersichtlich. Am 01.05.2012 nahm der Antragsteller sein Gewerbe im Holz- und Bautenschutz wieder auf.
Zuletzt wurde dem alleinstehenden Antragsteller mit Bescheid vom 22.10.2012 Arbeitslosengeld II u. a. für die Zeit vom 01.11.2012 bis 31.03.2013 in Höhe von 734,- Euro monatlich bewilligt.
Bereits am 09.10.2012 unterzeichnete der Antragsteller eine Eingliederungsvereinbarung (S. 505 der Verwaltungsakte). Danach verpflichtete sich der Antragsteller, sich auf Vermittlungsvorschläge hin zeitnah zu bewerben und vom 15.10.2012 bis 14.04.2013 an der Maßnahme "Aktiv Center, berufliche Weiterbildung für Erwachsene" teilzunehmen. Bei Arbeitsunfähigkeit sei der Antragsteller verpflichtet, die Maßnahme nach Genesung unaufgefordert anzutreten. Eine erneute Einladung erfolge nicht. In der Rechtsfolgenbelehrung wurden zunächst die einzelnen Sanktionsstufen (30 % des Regelbedarfs, 60 % des Regelbedarfs und völliger Wegfall des Arbeitslosengelds II) genannt. Direkt anschließend wurde darauf hingewiesen, dass das Arbeitslosengeld II des Antragstellers zuletzt wegen eines weiteren wiederholten Verstoßes aufgrund des Bescheids vom 29.02.2012 vollständig weggefallen war. Deshalb werde auch jeder weitere Pflichtverstoß gegen die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten den vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II für drei Monate zur Folge haben.
Ebenfalls am 09.10.2012 wurde dem Antragsteller die vorgenannte Maßnahme durch gesondertes Schreiben angeboten. In dem Angebot wurde die Maßnahme im einzelnen beschrieben und in der dortigen Rechtsfolgenbelehrung nochmals darauf hingewiesen, dass bei einem weiteren Pflichtverstoß das Arbeitslosengeld II für drei Monate vollständig entfallen werde.
Der Antragsteller meldete sich von 15.10.2012 bis 19.10.2012 arbeitsunfähig. Anschließend trat er die Maßnahme jedoch nicht an.
Zur Anhörung vom 25.10.2012 äußerte sich der Antragsteller nicht. Mit Bescheid vom 21.11.2012 wurde die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.12.2012 bis 28.02.2013 wegen der vorgenannten Pflichtverletzung vollständig aufgehoben. Ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen könne er auf Antrag erhalten. Der Antragsteller nahm Lebensmittelgutscheine in Anspruch.
Am 12.12.2012 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Widerspruch.
Am 15.12.2012 beantragte er beim Sozialgericht Landshut einstweiligen Rechtsschutz. Im Sanktionsbescheid werde nur auf eine vorangegangene Pflichtverletzung Bezug genommen, so dass es sich hier nur um eine erste wiederholte Pflichtverletzung handeln könne. Dann könne das Arbeitslosengeld II jedoch nur um 60 % des Regelbedarfs gemindert werden. Der Sanktionsbescheid sei nicht ausreichend bestimmt.
Mit Beschluss vom 28.01.2013 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Es bestünden keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides. Der Antragsteller habe unstrittig die Maßnahme nach seiner Arbeitsunfähigkeit nicht angetreten. Die rechtlichen Folgen seines Handelns - der dreimonatige Wegfall der Leistung bei Nichtantritt der Maßnahme - seien dem Antragsteller sowohl in der Eingliederungsvereinbarung als auch i...