Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilweise Übernahme der Kosten für ein Gutachten nach § 109 SGG auf die Staatskasse bei Lieferung neuer beweiserheblicher Gesichtspunkte

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die teilweise Übernahme der verauslagten Kosten für ein Gutachten nach § 109 Abs. 1 SGG auf die Staatskasse ist u.a. gerechtfertigt, wenn durch das Gutachten neue beweiserhebliche Gesichtspunkte zu Tage treten oder die Leistungsbeurteilung auf eine wesentlich breitere und überzeugendere Grundlage gestellt wird.

2. Hiervon ist auszugehen, wenn durch das Wahlgutachten der Schwerpunkt der Erkrankung auf einem bisher nicht geprüften medizinischen Fachgebiet erkannt wird und ein daraufhin von Amts wegen eingeholtes Gutachten auf diesem Fachgebiet zu einer vergleichsweisen Einigung führt.

 

Normenkette

SGG § 109 Abs. 1

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 15. Oktober 2008 wird abgeändert.

Die Kosten für das Gutachten des Dr. O. 8. März 2007 einschließlich des Zusatzgutachtens des Dipl.-Psych. K. vom 15. Februar 2007 und der ergänzenden Stellungnahme des Dr. O. vom 6. Dezember 2007 werden zur Hälfte auf die Staatskasse übernommen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Klägerin und Beschwerdeführerin werden die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Hälfte erstattet.

 

Gründe

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Ablehnung des Antrags auf Übernahme der Kosten für das Gutachten des Dr. O. sowie des Zusatzgutachtens des Dipl.-Psych. K. auf die Staatskasse.

Die Beschwerdeführerin begehrte in dem Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin hatte diese mit Bescheid vom 7. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2006 abgelehnt. Das Sozialgericht beauftragte den Orthopäden Dr. Z. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dr. Z. gelangte in dem Gutachten vom 4. September 2006 zu dem Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin trotz eines bestehenden generalisierten Ganzkörperschmerzsyndroms mit unterschiedlich starker Betonung im Wirbelsäulenbereich sowie im Bereich der großen Gelenke und sämtlicher Weichteile Fibromyalgie-ähnlichen Charakters sowie - unter Bezugnahme auf ein von der Beklagten eingeholtes Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. R. - einer depressiv-getönten Anpassungsstörung mit leichter depressiver Symptomatik noch leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten könne. Zumutbar seien noch Tätigkeiten, die die Fähigkeit zu überwiegendem Sitzen und Gehen voraussetzen.

Der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. O. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 8. März 2007 unter Einbezug eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens des Dipl.-Psych. K. vom 15. Februar 2007 ein ausgeprägtes Fibromyagliesyndrom mit generalisierten Schmerzen wechselnder Lokalisation und vegetativer Symptome, ein chronisches Lendenwirbelsäulen-(LWS-) und Halswirbelsäulen-(HWS-)Syndrom sowie eine Anpassungsstörung mit verlängerter schwerer depressiver Reaktion. Die Beschwerdeführerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur mehr drei bis unter sechs Stunden täglich tätig sein. Dies gelte ab Rentenantragstellung.

Das Sozialgericht holte eine ergänzende Stellungnahme des Dr. Z. vom 6. Juni 2007 ein, der an seiner Leistungsbeurteilung festhielt. Es solle einem Gutachter auf dem psychosomatischen Sachgebiet überlassen werden, festzustellen, ob der vorliegende Schweregrad der Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf psychologischem Gebiet weitergehende Leistungseinschränkungen als die von ihm festgestellten beinhalte. Dr. O. bekräftigte am 6. Dezember 2007 in einer ergänzenden Stellungnahme seine Einschätzungen.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 21. Februar 2008 ab. Dabei stützte sich das Gericht auf das Gutachten des Dr. Z. sowie des Dr. R.. Dem Gutachten des Dr. O. sei nicht zu folgen. Dieser stütze sich im Wesentlichen auf subjektive Angaben der Beschwerdeführerin, die jedoch nicht immer einheitlich seien. Er hinterfrage diese Angaben nicht kritisch und überprüfe sie nicht anhand der Aktenlage auf Plausibilität. Dabei stelle die Diagnose einer Fibromyalgie keine Berentungsdiagnose dar. Sowohl die Selbsteinschätzung der Beschwerdeführerin in einem Funktionsfragebogen als auch die Fähigkeit zum Sitzen auf einem leicht gepolsterten Stuhl sprächen gegen das von Dr. O. gefundene Ergebnis.

Der Senat hat im Berufungsverfahren (Az.: L 1 R 301/08) ein Gutachten der Dr. P. auf nervenärztlichem Fachgebiet eingeholt, die ab Februar 2007 aufgrund einer deutlich krankheitswertigen psychischen Komorbidität zu einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich gelangt ist. Durch gerichtlichen Vergleich gewährt die Beschwerdegegnerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit aufgrund eines Leistungsfalls vom 1. Februar 20...

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