Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Entschädigung von Verfahrensbeteiligten für die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin. Entschädigungsanspruch bei einem selbständig Tätigen. Anforderung an den Nachweis des Verdienstausfalls. Entschädigungsanspruch bei fehlendem Verdienstausfall
Leitsatz (amtlich)
1. Um den Entschädigungsanspruch für Verdienstausfall bei einem selbständig Tätigen nicht ins Leere laufen zu lassen, darf das Gericht an die Beweisführung eines selbständig tätigen Antragstellers und seine eigene Überzeugungsbildung keine zu hohen Anforderungen stellen.
2. Im Regelfall kommt eine Entschädigung für Verdienstausfall nicht in Betracht, wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt Leistungen nach dem SGB II in Höhe des Regelsatzes bezogen werden.
3. Geht ein Selbständiger nur mit deutlich reduziertem zeitlichem Einsatz seiner Tätigkeit nach, wird er oft in der Lage sein, sich die Arbeitszeit frei einzuteilen. Die daraus resultierende nicht fernliegende Möglichkeit, dass er durch den Gerichtstermin überhaupt keinen Verdienstausfall erleidet, weil er die von ihm im Rahmen der beruflichen Tätigkeit zu erbringenden Arbeiten an einem anderen Tag erledigen kann und wegen des Gerichtstermins überhaupt keinen Auftrag ablehnen muss, steht dem im Vollbeweis zu erbringenden Nachweis eines Verdienstausfalls entgegen.
Orientierungssatz
Wurde eine beantragte Entschädigung für Verdienstausfall für die Teilnahme an einem Gerichtstermin im sozialgerichtlichen Verfahren abgelehnt, da ein Verdienstausfall nicht nachgewiesen wurde, kommt zugunsten des Betroffenen eine Entschädigung für Zeitversäumnis in Betracht.
Tenor
Die Entschädigung des Antragstellers für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 15.10.2014 wird auf 105,40 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Teilnahme an einem Gerichtstermin. Insbesondere geht es um die Frage der Entschädigung für Verdienstausfall.
In dem am Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 16 AS 437/13 geführten Berufungsverfahren wegen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) fand am 15.10.2014 eine mündliche Verhandlung statt, an der der Antragsteller nach Anordnung des persönlichen Erscheinens teilnahm. Der auf 11.00 Uhr geladene Termin dauerte bis um 12.29 Uhr.
Mit beim LSG noch am Tag der mündlichen Verhandlung abgegebenem Entschädigungsantrag beantragte der Antragsteller einen Fahrtkostenersatz in Höhe von 58,40 € und erhielt eine Barauszahlung in dieser Höhe. Mit Schreiben vom 16.10.2014 beantragte er weiter eine Tagespauschale für Verpflegung und eine Entschädigung für Verdienstausfall als Selbständiger. Er sei als Heiler, Therapeut und Coach tätig und erhalte einen Stundensatz von 80,- €. Er sei erst um 20.09 Uhr in seinem Heimatort angekommen, da Züge ausgefallen bzw. bestreikt worden seien.
Mit Schreiben der Kostenbeamtin vom 29.10.2010 wurden dem Antragsteller über den bereits ausgezahlten Fahrtkostenersatz hinaus eine Entschädigung für Zeitversäumnis ("Nachteilsausgleich") für 10 Stunden in Höhe von insgesamt 35,- € und ein Tagegeld in Höhe von 12,- € gewährt. Eine Entschädigung für Verdienstausfall als Heiler, ganzheitlicher Therapeut und Coach könne - so die Kostenbeamtin - nicht gewährt werden. Die Einnahmen für die Monate März, April und Mai 2014 habe der Kläger mit 866,- €, 450,- € und 875,- € beziffert. Ausweislich der Aktenlage habe er kein positives Geschäftsergebnis erwirtschaftet. Somit könne nicht von einer regelmäßig ausgeübten selbständigen Tätigkeit ausgegangen werden; ein tatsächlich eingetretener Verdienstausfall erscheine unglaubwürdig. Einem regelmäßigen Einkommen widerspreche auch der aktuelle Leistungsbezug nach dem SGB II sowie seine Äußerungen im Rahmen der Barauszahlung am 15.10.2004. Nach seinen Aussagen habe er sich damals die Barmittel für die Bahnfahrkarten (insgesamt 58,40 €) für die Fahrt zur mündlichen Verhandlung ausleihen müssen.
Dagegen hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 20.11.2014 gewandt und vorgetragen, dass der Auszahlungsbetrag eine deutliche Diskrepanz gegenüber der letzten Auszahlung vom 11.03.2014, bei der er eine Entschädigung von 226,- € erhalten habe, aufweise. Die Berechnung sei für ihn nicht vollkommen nachvollziehbar; er gebe Gelegenheit zur obligatorischen Nachbesserung. Als Selbständiger habe er einen Stundensatz von 80,- €. Dieser Stundensatz sei auch auf seiner Homepage zu finden.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 23.01.2015 sind dem Antragsteller die für die Entschädigung von Verdienstausfall bei Selbständigen geltenden Maßgaben erläutert worden. Weiter ist der Antragsteller darauf hingewiesen worden, dass in seinem Fall problematisch sei, dass er offensichtlich nur ein sehr geringes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit beziehe. Die Tatsache, dass er zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Leistungen nach dem SGB II bezogen habe, lasse den Rückschluss zu, dass die Inten...