Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitssuchende: Einstweiliger Rechtsschutz gegen einen Sanktionsbescheid wegen wiederholter Pflichtverletzung
Leitsatz (amtlich)
Die Annahme einer zweiten wiederholten Pflichtenverletzung kommt nur dann in Betracht, wenn zuvor ein erster wiederholter Pflichtenverstoß nicht nur begangen, sondern auch festgestellt worden ist.
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 22.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2013 wird angeordnet.
II. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eine Absenkung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) um 100% für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.06.2013.
Der 1983 geborene Antragsteller (ASt) bezieht vom Antragsgegner (Ag) Alg II. Zuletzt wurde ihm mit Bescheid vom 28.01.2013 vorläufig Alg II für die Zeit vom 01.02.2013 bis 31.07.2013 bewilligt. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 21.03.2012 senkte der Ag das Alg II in einer ersten Stufe um 30% des maßgeblichen Regelbedarfs für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 30.06.2012 ab. Im Hinblick auf eine erste wiederholte Pflichtverletzung senkte er mit weiterem Bescheid vom 30.11.2012 das Alg II um 60% des maßgeblichen Regelbedarfs für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.03.2013 ab, hob diesen Bescheid jedoch mit Bescheid vom 25.02.2013 wieder auf.
Wegen einer Nichtbewerbung auf einen Vermittlungsvorschlag vom 07.12.2012 erfolgte mit Bescheid vom 21.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2013 erneut eine Absenkung des Alg II um 60% des maßgeblichen Regelbedarfs für den Zeitraum vom 01.03.2013 bis 31.05.2013. Die dagegen beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhobene Klage (Az: S 18 AS 172/13) hat das SG mit am 29.05.2013 an den ASt zugestelltem Urteil vom 17.05.2013 abgewiesen.
Mit Schreiben vom 24.01.2013 bot der Ag dem ASt eine für zwölf Monate befristete Arbeitsstelle als Mitarbeiter in der Qualitätssicherung bei der Zeitarbeitsfirma r. GmbH (R) in A-Stadt mit einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden an. Eine Bewerbung solle umgehend schriftlich, per Email oder über das Internet erfolgen, wobei "komplette Bewerbungsunterlagen" erwünscht seien. Die Rechtfolgebelehrung enthielt den Hinweis, dass bei Nichtaufnahme der angebotenen Tätigkeit oder negativem Bewerbungsverhalten das Alg II vollständig entfalle. Aufgrund eines ersten wiederholten Pflichtenverstoßes sei das Alg II zuletzt mit Bescheid vom 30.11.2012 um 60% des maßgebenden Regelbedarfs gemindert worden. In der Anlage wurde eine Stellenbeschreibung, das Profil des ASt und die vom Arbeitgeber geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten angegeben.
Im Rahmen der Anhörung zu einer Sanktionierung wegen der Nichtbewerbung auf den Vermittlungsvorschlag vom 24.01.2013 teilte der ASt mit, er habe sich am 30.01.2013 per E-Mail an R mit der Bitte um Übersendung weiterer Informationen und Kontaktdaten des potentiellen Arbeitgebers gewandt. Eine Reaktion sei hierauf nicht erfolgt. Im Vermittlungsvorschlag habe es geheißen, die Firma suche einen Mitarbeiter für einen Kunden. Er habe deshalb wissen wollen, wo er arbeiten solle.
Mit Bescheid vom 22.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2013 stellte der Ag den vollständigen Wegfall des Alg II für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.06.2013 fest. Die bloße Anfrage stelle keine Bewerbung dar. Das Beschäftigungsverhältnis sei auch zumutbar gewesen. Der ASt hätte wegen der fehlenden Reaktion zeitnah nachfragen müssen, warum keine weitere Reaktion seitens R erfolgt sei, und er sich ordnungsgemäß bewerben müssen. Die dagegen beim SG erhobene Klage (Az: S 18 AS 196/13) hat das SG mit am 29.05.2013 an den ASt zugestelltem Urteil vom 17.05.2013 abgewiesen.
Bereits am 05.04.2013 hat der ASt beim SG beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 22.03.2013 wieder herzustellen. Zeitarbeitsfirmen hätten eigene Unternehmensziele, die dem Zweck der Arbeitsvermittlung zuwider laufen würden. Es hätten sich nunmehr auch erhebliche wirtschaftliche Probleme für ihn ergeben. Sein Konto sei überzogen und er könne seine Miete nicht mehr bezahlen, so dass er fürchte obdachlos zu werden. Die Einstellung der Stromversorgung habe nur durch einen Kredit eines Bekannten verhindert werden können. Hätte R an ihm Interesse gehabt, hätte sie auf seine E-Mail reagiert. Der Vermittlungsvorschlag habe nicht die Prüfung der Zumutbarkeit der Beschäftigung erlaubt. Mit Beschluss vom 16.04.2013 hat das SG die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs sei nicht anzuordnen. Die Anfrage des ASt bei R vom 30.01.2013 genüge nicht dem Erfordernis einer Bewerbung. Er hätte insofern auch bei R nachfragen müssen, nachdem von dort keine Reaktion erfolgt sei. Die Kontaktdaten des konkreten Arbeitgebers hätten...