Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Meldeaufforderung des Grundsicherungsträgers zur Klärung der Zusicherung auf Übernahme künftiger Unterkunftskosten. Zerrüttung des Eltern-Kind-Verhältnisses. Bevollmächtigung. Rechtsschutzbedürfnis
Leitsatz (amtlich)
Zur Klärung der Frage, ob für die Nestflucht eines nicht 25 jährigen Kindes ein Grund nach § 22 Abs. 5 SGB II besteht, kann das Jobcenter für das Kind einen persönlichen Meldetermin nach § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III bestimmen.
Auch bei einer Bevollmächtigung kann sich das Jobcenter mit seiner Meldeaufforderung gemäß § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB X unmittelbar an das Kind wenden.
Eine Vertretung durch einen Bevollmächtigten nach § 13 SGB X ist bei einem persönlichen Meldetermin nicht möglich.
Orientierungssatz
1. Der Grundsicherungsträger ist zur Prüfung einer Zusicherung für die Übernahme künftiger Unterkunftskosten bei dem beabsichtigten Auszug eines unter 25-jährigen Beziehers von Leistungen des SGB 2 berechtigt, dessen persönliche Meldung nach § 59 SGB 2 i. V. m. § 309 Abs. 1 S. 1 SGB 3 zu verlangen. Ein solches Verlangen ist nach § 39 Nr. 4 SGB 2 sofort vollziehbar. Bei Nichtbefolgung kann es nach § 32 SGB 2 zu einer Sanktion führen.
2. Die erforderliche persönliche Meldung kann nicht an einen Bevollmächtigten delegiert werden.
3. Auch bei einer Bevollmächtigung kann sich der Grundsicherungsträger mit seiner Meldeaufforderung unmittelbar an den Leistungsempfänger wenden.
Normenkette
SGB II § 22 Abs. 5, § 59; SGB III § 309 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 5; SGB X § 13
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 11. März 2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dagegen, dass die volljährige Antragstellerin zu 3 mit dem Antragsgegner einen Gesprächstermin telefonisch vereinbaren soll.
Der Antragsteller zu 1 und die Antragstellerin zu 2 sind verheiratet. Sie beziehen zusammen mit ihrer im Dezember 1995 geborenen Tochter (Antragstellerin zu 3) gemeinsam Arbeitslosengeld II vom Antragsgegner. Die Antragstellerin zu 3 absolviert eine Berufsausbildung in einem Hotel, für welche sie eine Ausbildungsvergütung erhält. Sie bewohnt in dem Hotel ein Personalzimmer.
Mit Schreiben vom 22.01.2014 beantragte der Antragsteller zu 1 die Zustimmung des Antragsgegners zum Auszug seiner Tochter aus der Familienwohnung, weil das Eltern-Kind-Verhältnis so zerrüttet sei, dass dies nicht mehr tragbar sei. Am 31.01.2014 stellte die Antragstellerin zu 3 im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes (Az. S 8 AS 228/14 ER) einen Antrag auf Erteilung eines Bescheides über den Zustimmung zu ihrem Auszug aus der elterlichen Wohnung.
Mit Schreiben vom 17.02.2014, adressiert an das Personalzimmer im Hotel, bat der Antragsgegner die Antragstellerin zu 3 um telefonische Vereinbarung eines Termins zur Klärung des Sachverhalts im Hinblick auf die familiären Konflikte. Dagegen erhob der Antragsteller zu 1 am 26.02.2014 unter Vorlage einer aus ihnen aufgestellten Bevollmächtigung seiner Tochter in deren Namen Widerspruch. Mit einem Einzelgespräch zwischen Vertretern des Antragsgegners und der Antragstellerin zu 3 bestünde kein Einverständnis. Der Gesprächsvorschlag sei ein Eingriff in die Rechte der Antragstellerin zu 3 auf einen Beistand. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2014 als unzulässig zurückgewiesen, das Schreiben vom 17.02.2014 sei kein Verwaltungsakt. Dagegen wurde mit Schreiben vom 28.02.2014 Klage erhoben.
Zugleich stellten die Antragsteller einen weiteren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Mit Beschluss vom 11.03.2014 wies das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück. Soweit die Antragsteller beantragten, Auskunft über den Zuständigkeitsbereich einer namentlich benannten Mitarbeiterin zu bekommen, sich eine Strafanzeige gegen diese vorbehalten und der Mitarbeiterin Amtsmissbrauch vorwerfen, handle es sich um unzulässige Eilanträge. Es fehle auch an der Eilbedürftigkeit dieser Anträge. Der Antragstellerin bleibe es unbenommen, sich weiterhin von ihren Eltern vertreten zu lassen. Eine Regelungswirkung komme dem Schreiben vom 17.02.2014 insoweit nicht zu.
Die Antragsteller haben dagegen am 14.03.2014 Beschwerde erhoben. Die Antragstellerin sei berechtigt, sich durch einen Beistand vertreten zu lassen, siehe § 13 SGB X. Das Sozialgericht missachte das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin zu 3. Jeglicher persönliche Kontakt mit ihr, auch in telefonischer Form, sei zu unterlassen.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 11.03.2014 aufzuheben und festzustellen, dass der Antragsgegner verpflichtet sei, jeglichen persönlichen Kontakt mit der Antragstellerin zu 3, auch in telefonischer Form, zu unterlassen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
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