Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Beurteilung der Bedürftigkeit im Sinn des Prozesskostenhilferechts sind die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag maßgebend.

2. Lässt ein Antragsteller eine ihm gehörende, vermietbare Wohnung ohne zwingende Gründe leer stehen, kann es gerechtfertigt sein, die erzielbare Miete zur Grundlage einer Anrechnung fiktiven Einkommens zu machen.

3. Die Anrechnung fiktiver Mieteinnahmen verkörpert im untechnischen Sinn eine Art der Vermögensverwertung. Es kann je nach Lage des Falls angezeigt sein, auf diese Weise vorzugehen, anstatt eine Verwertung mittels Veräußerung oder Beleihung anzusetzen.

4. Die Verwertung eines Grundstücks mittels Beleihung ist regelmäßig nur dann zumutbar, wenn die (zusätzlichen) Kosten für die Beleihung nicht außer Verhältnis zu den Prozesskosten stehen.

5. Zur Berechnung nach § 115 Abs. 4 ZPO, wenn ein "Gerichtskostenfall" (§ 197 a SGG) vorliegt.

6. Zur Voraussetzung der "hinreichenden Erfolgsaussicht" gemäß § 114 Satz 1 ZPO.

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 2. April 2009 aufgehoben und der Beschwerdeführerin mit Wirkung ab 24. April 2007 für den Rechtsstreit Az.: S 9 R 234/07 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt B., B-Stadt, beigeordnet.

Die Beschwerdeführerin hat Raten im Sinn von § 73 a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 115 Abs. 2 der Zivilprozessordnung in Höhe von 250 EUR monatlich zu entrichten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten wegen einer Erstattungsforderung der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Bg.) gegen die Klägerin und Beschwerdeführerin (Bf.) wegen zu Unrecht geleisteter Hinterbliebenenrente. Konkret geht es um die Frage, ob der Bf. für das Verfahren vor dem Sozialgericht Regensburg mit dem Az.: S 9 R 234/07 Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen und ihr ein Prozessbevollmächtigter beizuordnen ist.

Die Bf. ist Eigentümerin des Anwesens F. Weg in N.. Das Haus ist in zwei Wohnungen unterteilt. Von 1984 an hatte sie eine Einzimmerwohnung im ersten Stock dieses Hauses an F. W. vermietet. Nach Lage der Akten hatte F. W. durch Täuschung von der Bg. Rentenleistungen erwirkt (insgesamt fast 100.000 EUR). Es handelte sich um eine Witwenrente für die Mutter des F. W.. Diese war aber bereits im Januar 1978 verstorben. Diesen Umstand hatte weder F. W. der Bg. mitgeteilt noch erfuhr diese davon auf andere Weise. F. W. gab während der folgenden Jahrzehnte vor, seine Mutter würde immer noch leben. Das "inszenierte" er zum Teil so perfekt, dass der wahre Sachverhalt erst Anfang 2006 aufgedeckt wurde. Insbesondere führte er bis 25.01.2006 ein auf den Namen seiner Mutter lautendes Konto bei der Sparkasse N. weiter und spiegelte durch Fälschung von Unterschriften vor, die vermeintliche Kontoinhaberin sei am Leben. Die Rentenzahlung wurde erst zum 31.01.2006 eingestellt.

Die Mietzahlungen für die oben genannte Wohnung erfolgte durch Dauerauftrag zu Lasten des auf den Namen der Mutter geführten Kontos.

Die Bg. erließ gegen die Bf. einen auf den 28.11.2007 datierten und auf § 118 Abs. 4 des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch (SGB VI) gestützten Rückforderungsbescheid über einen Betrag von 19.623,42 EUR. In dem Bescheid teilte die Bg. mit, weitere Rückforderungen für die Zeit vor 1996 behalte sie sich vor. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2007 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, monatlich seien der Bf. durch Dauerauftrag Zahlungen von dem Konto - zuletzt in Höhe von monatlich 173,84 EUR - zugeflossen. Von Januar 1996 an ergebe dies den im Rückforderungsbescheid ausgewiesenen Betrag von 19.623,42 EUR. Vom zuständigen Geldinstitut habe dieser Betrag wegen des Dauerauftrags nicht mehr an die Bg. zurückgezahlt werden können. Der Bg. stehe kein Ermessen zu, ob sie die Beträge von der Bf. zurückfordern wolle. Der Anspruch der Bg. nach § 118 Abs. 4 SGB VI sei auch nicht verjährt.

Dagegen hat die Bf. Klage beim Sozialgericht Regensburg erhoben und die Bewilligung von PKH und Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten beantragt. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 02.04.2009 den Antrag abgelehnt. Dies hat es einerseits damit begründet, die Vertretung durch einen Rechtsanwalt sei nicht erforderlich. Denn im sozialgerichtlichen Verfahren gelte der Grundsatz der Amtsermittlung. Zudem vertrete die Bg. nicht egoistisch ihre eigenen Interessen, sondern habe auch Gesichtspunkte zu Gunsten der Bf. zu berücksichtigen. Zudem hat das Sozialgericht die Ablehnung sinngemäß auch auf § 115 Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) gestützt.

Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 15.04.2009 eingelegte Beschwerde (Eingang beim Sozialgericht am 20.04.2009).

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Bewilligung von PKH und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten der Bf. abgelehnt.

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 des Sozia...

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