Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegen einstweiliger Anordnung
Leitsatz (amtlich)
Der Antragsgegner ist zur vorläufigen Erbringung von Leistungen im Rahmen einer Folgenabwägung zu verpflichten, wenn der Anordnungsanspruch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht endgültig geklärt werden kann und es sich um existenzsichernde Leistungen handelt.
Tenor
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 08.06.2017 abgeändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, ab 19.07.2017 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 286,30 € monatlich bis zur Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.03.2017, längstens bis 30.09.2017, zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen.
Gründe
I.
Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, ob der Antragsteller Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab 25.04.2017 in Höhe des Regelbedarfes hat.
Am 20.01.2017 beantragte der Antragsteller Alg II beim Antragsgegner. Dabei gab er an, in der A-Straße in A-Stadt zu wohnen. Er sei von 1992 bis 2016 als Makler und in der Verwaltung tätig gewesen. In A-Stadt habe er unter der genannten Adresse einen Antrag auf Erteilung eines Reisepasses gestellt. Kosten der Unterkunft und Heizung habe er keine. Das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft verneinte er ebenso wie bei einer Vorsprache das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft. In der Anlage zur vorläufigen oder abschließenden Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit im Bewilligungszeitraum teilte er mit, im Bewilligungszeitraum von Januar bis Juni 2016 voraussichtlich Betriebseinnahmen in Höhe von 600,00 € zu erzielen (100,00 € im April, 200,00 € im Mai und 300 € im Juni). An Ausgaben fielen dabei ebenfalls voraussichtlich 600,00 € an. Sein Vermögen betrage unter 100,00 €. Zudem zeigte er den Abholschein für den beantragten Reisepass vor. Nach einer Auskunft des Einwohnermeldeamts war er unter der von ihm angegebenen Adresse gemeldet. Er habe Alg II beantragt, da seine aktuellen finanziellen Verhältnisse nicht ausreichten, um den Lebensunterhalt zu decken. Seine wirtschaftliche Lage verbessere sich erst nach aufwendiger Führung eines Zivilprozesses. Neue Aufträge erwarte er ab Frühjahr 2017. Zurzeit sei er mit Aufräumarbeiten beschäftigt, die erforderlich seien, bevor neue Aufträge kommen würden. Er benötige Leistungen ergänzend zu seiner selbstständigen Tätigkeit. Diese habe er hauptsächlich in Tschechien ausgeübt. Er halte sich voraussichtlich für mehrere Monate in Deutschland auf, um diverse Dinge zu erledigen. Daher habe er kein Einkommen.
Auf Nachfragen des Antragsgegners (u.a.Gewinn- und Verlustrechnung der letzten sechs Monate, Einkommensteuerbescheid, Stellungnahme, weshalb keine Wohnkosten anfielen, wo er sich im Ausland aufgehalten habe und wie der Lebensunterhalt im Ausland gesichert gewesen sei bzw. wie dort der Zahlungsverkehr abgewickelt worden sei) gab der Antragsteller an, dass er seit 1992 selbstständig als Immobilien- und Versicherungsmakler tätig gewesen sei und in den letzten Jahren überwiegend Auftraggeber aus dem EU-Umland bzw. Ausland, vor allem aus der Tschechischen Republik, bedient habe. Aufgrund eines aktuellen Zivilprozesses investiere er sehr viel Zeit als "Beihelfer" eines Anwalts und hoffe auf Entschädigungszahlungen. Zudem organisiere er seine Tätigkeit um, um nur noch "sichere" Auftraggeber zu haben. Er sei schon länger im Geschäft und man kenne ihn. Er sei gut vernetzt. Aktuell arbeite er ca. 40 Stunden pro Woche an der Selbstständigkeit. In den letzten sechs Monaten habe er lediglich 450,00 € an Einnahmen bei 30,00 € Ausgaben gehabt. Diese resultierten aus einer Aufwandsentschädigung, die er im Jahr 2016 einmalig erhalten habe. Die Auszahlung sei in den Monaten September und November 2016 erfolgt. Der Zahlungsverkehr im Ausland sei fast nur in bar abgewickelt worden. Aufgrund sparsamer Lebensführung habe er nur wenig Geld ausgegeben. Wohnkosten habe er keine, da er nur vorübergehend in A-Stadt wohne ohne eine dauerhafte Wohnung zu haben. Einkommensteuerbescheide könne er mangels steuerpflichtigen Einkünften in Deutschland für die letzten Jahre nicht vorlegen. Mit Email vom 24.03.2017 teilte er dem Antragsgegner mit, er befinde sich in den nächsten Tagen, wie bereits angekündigt, vermutlich mehrere Wochen aus beruflichen Gründen in Norddeutschland. Er möchte dort sein Unternehmen mehreren Firmen in der Absicht vorstellen, feste, wenn auch geringfügige selbstständige Einkünfte dauerhaft zu erzielen. Seine vorübergehende Abwesenheit könne sich über Wochen hinziehen, insbesondere wenn dauerhaftere Einkünfte in konkreter Aussicht stünden. Er sei daher derzeit nur per Email erreichbar.
Mit Bescheid vom 28.03.2017 lehnte der Antragsgegner den Antrag a...