Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Aussetzung des Verfahrens. Notwendigkeit einer vorherigen Anhörung der Beteiligten. Ermessensentscheidung. Ermessensreduzierung auf Null. Anderweitige Rechtshängigkeit. Abwägung der Zweckmäßigkeit einer Aussetzung. Verfahrensökonomische Erwägungen
Leitsatz (amtlich)
1.Zur notwendigen Anhörung vor Erlass des Beschlusses über die Aussetzung
2.Eine Ermessensreduzierung auf Null ist nicht gegeben, wenn das Gericht die Beiladung eines anderen potentiell in Betracht kommenden Leistungsträgers wegen anderweitiger Rechtshängigkeit für ausgeschlossen hält.
3.Die Aussetzung ist rechtswidrig, wenn der Beschluss keine Abwägung der für und gegen sie sprechenden Umstände erkennen läßt.
4.Verfahrensökonomische Gründe rechtfertigen insbesondere bei der Gefahr überlanger Verfahrensdauer die Aussetzung nicht.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 5. Mai 2009 aufgehoben.
Gründe
I.
Streitgegenstand des Klageverfahrens S 10 AS 604/07 ist die Rechtmäßigkeit der Ablehnung einer Weiterbildung zum Fachjournalisten durch die Beklagte.
Der Kläger beantragte am 28.09.2006 die Förderung der Teilnahme an dem am 01.09.2006 beginnenden Fernstudium zum Fachjournalisten. Dies lehnte die Beklagte am 26.10.2006 (Widerspruchsbescheid vom 25.06.2007) mangels Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 77 Abs 1 Nr 1 SGB III ab.
Bereits davor hatte die Bundesagentur für Arbeit die Weiterbildung zum Fachjournalisten abgelehnt, weil diese die Integrationswahrscheinlichkeit nicht wesentlich erhöhe. Gegen den ablehnenden Bescheid vom 11.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2006 ist seit 04.10.2006 unter dem Az: S 7 AL 322/06 eine Feststellungs- und Verpflichtungsklage anhängig.
Gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 26.10.2006/ Widerspruchsbescheid vom 25.06.2007 hat der Kläger am 30.07.2007 Klage erhoben und beantragt festzustellen, dass die Ablehnung der Weiterbildung "Fernstudium Fachjournalist" rechtswidrig war und die Beklagte verpflichtet werde, die Weiterbildungskosten für den Fernstudiengang Fachjournalist an der Deutschen Fachjournalistenschule in B. zu übernehmen. Im Erörterungstermin am 30.04.2009 hat er gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass er mit dem Erlass eines Gerichtsbescheids nicht einverstanden sei.
Mit Beschluss vom 05.05.2009 hat das Sozialgericht das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits S 7 AL 322/06 ausgesetzt. Im dortigen Rechtsstreit werde dieselbe Rechtsfrage aufgeworfen, nämlich ob die begehrte Weiterbildung nach § 77 SGB III förderungsfähig sei. Vorgreiflich sei die Rechtsfrage, ob die Bundesagentur zur Entscheidung zuständig gewesen sei. Eine Beiladung der Bundesagentur komme wegen anderweitiger Anhängigkeit nicht in Betracht.
Gegen den am 06.05.2009 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 05.06.2009 Beschwerde eingelegt und die Vorsitzende der 10.Kammer wegen Befangenheit abgelehnt. Die Rechtsstreitigkeiten hingen nicht in der Weise von einander ab, dass zwangsläufig der Rechtsstreit S 7 AL 322/06 zuerst entschieden werden müsse. Die Angelegenheit ziehe sich bereits nahezu drei Jahre hin und eine Aussetzung sei mit den Grundsätzen eines effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar.
II.
Die statthafte, form und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Aussetzung des Verfahrens ist nicht rechtmäßig.
Dabei kann dahinstehen, ob der darin liegende Verfahrensverstoß, dass der Beschluss ohne Anhörung der Beteiligten ergangen ist, in der Beschwerdeinstanz heilbar ist. Dies könnte angesichts der eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeiten des Beschwerdegerichts, nämlich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Aussetzung vorliegen und ob das Sozialgericht die Grenzen seines Ermessens eingehalten hat (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 114 Rz 9) fraglich sein. Jedenfalls hat das Sozialgericht keine Ermessensentscheidung getroffen.
Hängt die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist, so kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen sei (§ 114 Abs 2 Satz 1 SGG). Zutreffend hat das Sozialgericht festgestellt, dass die im Streitverfahren S 7 AL 322/06 strittige Frage, ob dem Kläger gegen die Bundesagentur für Arbeit ein Anspruch auf Erstattung der Weiterbildungskosten für das Fernstudium "Journalist" zusteht, für das anhängige Verfahren vorgreiflich ist. Weil das Klageziel identisch und lediglich der Adressat des Klagebegehrens unterschiedlich ist, schließt ein Erfolg im Streit gegen die Bundesagentur für Arbeit einen solchen im anhängigen Verfahren aus.
Das Sozialgericht hat indessen von dem ihm in einem solchen Fall zustehenden...