Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit. Ausschluss des Ehegatten bei psychiatrischer Untersuchung. fachliches Ermessen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Zurückweisung einer Beschwerde gegen den Beschluss, mit dem der Antrag auf Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurde.

2. Der Ausschluss eines Ehegatten von der Anwesenheit bei einer psychiatrischen Begutachtung stellt nicht ohne Weiteres einen Verstoß gegen ein faires Verfahren oder einen rechtswidrigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar.

3. Bei der Entscheidung des Sachverständigen, die Anwesenheit eines Ehegatten während der Untersuchung nicht zu gestatten, handelt es sich um eine Abwägung des Sachverständigen, die in seinem fachlichen Ermessen steht. Die Entscheidung stellt eine medizinisch fachliche Frage dar, die allein kein Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit rechtfertigt.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 26. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob dem Antrag der Klägerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf.) auf Ablehnung es gerichtlichen Sachverständigen Dr. C. wegen Besorgnis der Befangenheit statt zu geben ist.

Die Bf. begehrt im Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (Az.: S 25 SB 1179/11) die Feststellung eines Grads der Behinderung von 100 statt 50. Der Beklagte und Beschwerdegegner (im Folgenden: Bg.) lehnte dies mit Bescheid vom 15. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2011 ab.

Das Sozialgericht hat aktuelle Befundberichte eingeholt und mit Beweisanordnung vom 5. März 2012 den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dipl.-Psych. C. mit der Erstellung eines Gutachtens nach ambulanter Untersuchung beauftragt. Die Beiziehung eines Dolmetschers für die albanische Sprache wurde genehmigt.

Mit Schriftsatz vom 17. April 2012 hat der Prozessbevollmächtigte der Bf. erstmals mitgeteilt, dass deren Ehemann diese zu dem Begutachtungstermin (am 22. Mai 2012) begleiten und bei der Begutachtung anwesend sein werde. Der Sachverständige hat am 24. April 2012 telefonisch gegenüber dem Sozialgericht mitgeteilt, dass mit der Anwesenheit des Ehemannes der Bf. kein Einverständnis bestehe. Dies sei bei einer Begutachtung nicht üblich und vorliegend auch nicht erforderlich. Auf die Gesprächsnotiz der Kammer wird verwiesen.

Die Bf. hat den Sachverständigen am 3. Mai 2012 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der generelle Ausschluss einer Vertrauensperson stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens dar. Gerade bei einer psychiatrischen Untersuchung sei die Anwesenheit einer Vertrauensperson gerechtfertigt. Sie hat auf einen Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Februar 2006 (Az.: L 4 B 33/06 SB) verwiesen. Dr. C. habe keine überzeugende Begründung für den Ausschluss der Vertrauensperson vorgetragen.

Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 26. Juni 2012 zurückgewiesen. Es liege kein Grund vor, der geeignet sei, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Der Umstand, dass Dr. C. den Ehemann der Bf. zu der Untersuchung nicht zulassen wolle, sei nicht geeignet, seien Befangenheit zu begründen. Zutreffend führe Dr. C. aus, dass dies bei einer Begutachtung nicht üblich sei. Bei einer psychiatrischen Untersuchung, bei der bei der Anamneseerhebung auch detailliert auf die Lebensumstände des zu Untersuchenden eingegangen werde, sei die Anwesenheit des Ehepartners weder erforderlich noch hilfreich, da möglicherweise ein sich Öffnen dadurch behindert werde. Im Übrigen hat das Sozialgericht auf den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Oktober 2011 (Az.: L 13 SF 359/11 B) verwiesen.

Zur Begründung der hiergegen eingelegten Beschwerde hat die Bf. ausgeführt, der Sachverständige sei verpflichtet, qualifizierte Gründe für die Ablehnung der Anwesenheit einer Vertrauensperson schriftlich darzulegen. Der Grundsatz des Anspruchs auf ein faires Verfahren verpflichte auch den Sachverständigen zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation.

Der Senat hat eine Stellungnahme des Dr. C. vom 24. September 2012 eingeholt. Abgelehnt werde nicht die Anwesenheit einer weiteren Person generell, sondern von Personen, die im Rahmen der ausführlichen psychiatrischen Anamneseerhebung mit betroffen sein könnten (wie z.B. Angehörige). Er hat hierzu aus der Begutachtungsliteratur (Widder/Geizig, Lehrbuch Begutachtung in der Neurologie, 2. Aufl. 2011) zitiert.

Die Bf. hat demgegenüber dargelegt, dass ein fremder Dritter wie z.B. eine ihm nicht bekannte Dolmetscherin keine Vertrauensperson sei. Hilfsweise werde die Gestattung der Anwesenheit einer anderen Vertrauensperson nach Wahl der Bf. bei der Untersuchung beantragt.

II.

Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist unbegründet.

Nach § 1...

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