Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Zulässigkeit der vorläufigen Gewährung einer Sozialleistung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen einen Versagungsbescheid
Leitsatz (amtlich)
Zur zweistufigen Prüfung im Eilverfahren, wenn ein Versagungsbescheid nach § 66 SGB I ergangen ist und vorläufige Leistungen im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt werden.
Orientierungssatz
Im einstweiligen Rechtschutzverfahren über die vorläufige Gewährung von Sozialleistungen kann eine vorläufige Leistungsgewährung auch dann angeordnet werden, wenn die Behörde auf einen Antrag zuvor einen Versagungsbescheid erlassen hat, soweit dieser Bescheid wegen eines dagegen eingelegten Rechtsmittels mit aufschiebender Wirkung noch nicht vollziehbar ist.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 16. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Eilverfahren existenzsichernde Leistungen für die Zeit ab 01.09.2015.
Der 1953 geborene Antragsteller und Beschwerdeführer bezog in der Vergangenheit zusammen Frau S. (geboren 1989) Arbeitslosengeld II vom Antragsgegner. Frau S. wurde vom Antragsgegner fortlaufend als Partnerin eingestuft. Zuletzt wurde der Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 27.05.2015 (Seite 1318 Akte des Antraggegners) Arbeitslosengeld II für die Zeit von 01.06.2015 bis 31.05.2016 in Höhe von monatlich insgesamt 1390, - Euro für Juni 2015 bzw. 1400,- Euro ab Juli 2015 bewilligt. Dabei wurden Regelbedarfe für Partner von jeweils 360,- Euro angesetzt und die Kosten der Mietwohnung von insgesamt 680,- Euro hälftig auf jeden der Partner verteilt.
Für die Monate August, September, Oktober und November 2015 kam es zu verschiedenen Sanktionen gegen den Antragsteller (Bescheid vom 22.07.2015 über 10 % des Regelbedarfs und Gegenstand des Eilverfahrens S 50 AS 2858/15 ER, Bescheid vom 19.08.2015 über 10 % des Regelbedarfs und Bescheid ebenfalls vom 19.08.2015 über 30 % des Regelbedarfs).
Der Antragsteller und Frau S. versuchten ohne Erfolg in H. und U. gemeinsam eine neue Wohnung anzumieten.
Mit Bescheid vom 07.09.2015 bewilligte der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung dem Antragsteller eine vorzeitige Altersrente für schwerbehinderte Menschen, beginnend am 01.08.2015. Die monatliche Rente beträgt 905,52 Euro, nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge verbleibt ein Zahlbetrag von 810,90 Euro.
Mit Bescheid vom 15.09.2015 (S. 1439, 1440) hob der Antragsgegner die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für den Antragsteller ab 01.10.2015 auf. Der Antragsteller sei wegen dem Bezug einer Altersrente nicht mehr leistungsberechtigt. Frau S. erhielt weiterhin Arbeitslosengeld II von monatlich 637,10 Euro unter Anrechnung des den Bedarf des Antragstellers übersteigenden Einkommens aus der Altersrente. Über den Widerspruch gegen den Aufhebungsbescheid wurde nach Aktenlage nicht entschieden.
Frau S. begann zum 28.09.2015 eine außerbetriebliche dreijährige Berufsausbildung zur Bürokauffrau (S. 1482). Sie wurde aufgefordert, bei der Agentur für Arbeit Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) zu beantragen. Mit Bescheid vom 13.11.2015 (S. 1490) wurde auch gegenüber Frau S. die Bewilligung von Arbeitslosengeld II ab 01.12.2015 aufgehoben. Sie sei als Auszubildende vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Dagegen strengte Frau S. scheinbar ein Eilverfahren beim Sozialgericht München unter dem Aktenzeichen S 55 AS 2873/15 ER an.
Bereits am 18.09.2015 beantragte der Antragsteller beim beigeladenen Sozialhilfeträger Leistungen zum laufenden Lebensunterhalt. Mit Bescheid unbekannten Datums (S. 65 Akte der Beigeladenen) versagte die Beigeladene Leistungen nach SGB XII wegen mangelnder Mitwirkung. Der Antragsteller habe verschiedene Unterlagen trotz schriftlicher Aufforderung, Fristsetzung und Hinweis auf die Rechtsfolgen nicht vorgelegt. Dieser Bescheid wurde dem Antragsteller laut Zustellnachweis am 22.01.2016 zugestellt.
Am 21.01.2016 stellte der Antragsteller beim Sozialgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Er beantrage, ihm die Leistungen nach SGB II ungekürzt auszuzahlen. Mit Beschluss vom 16.02.2016 lehnte das Sozialgericht München die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Der handschriftliche Vermerk auf dem Begleitschreiben zum Änderungsbescheid vom 15.09.2015 sei als Widerspruch zu betrachten, der gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung entfalte. Es bestünden gegen die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung keine ernsthaften Bedenken. Der Antragsteller sei als Altersrentner von Leistungen nach SGB II gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II ausgeschlossen. Bezüglich der Sanktionen handle es sich um Ansprüche aus der Zeit lange vor Stellung des Eilantrages; mangels einer fortwirkenden Notlage komme ein finanzieller Ausgleich hierfür nicht in Betracht.
Der Antragsteller hat am 09.03.2016 Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München eingelegt. Der Antragsgeg...