Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II-Bezieher. Übernahme der Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Zuschuss zu Versicherungsbeiträgen für eine private Kranken- bzw Pflegeversicherung bis zur Hälfte des Basistarifs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Personen, die unmittelbar vor dem Bezug von Leistungen der Grundsicherung (nach dem SGB 2) privat krankenversichert waren, sind nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs 5a, Abs 2 und 2a SGB 5).

2. Nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5 besteht nur eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung für Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren (a) oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren.

3. Jede Person mit Wohnsitz im Inland ist verpflichtet, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen eine Krankheitskostenversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten (§ 193 Abs 3 VVG (juris: VVG 2008) in der Fassung vom 23.11.2007- entspricht § 178 a Abs 5 bis 9 VVG in der Fassung des GKV-WSG).

4. Versicherungsunternehmen mit Sitz im Inland sind nach § 12 Abs 1a VAG zum Angebot eines Basistarifs verpflichtet, dessen Vertragsleistungen in Art, Umfang und Höhe der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nach SGB 5 entsprechen. Nach § 12 Abs 1b VAG und § 193 Abs 5 VVG unterliegen die Versicherungsunternehmen insoweit einem weitgehenden Kontrahierungszwang.

5. Weder aus § 26 SGB 2 noch aus dem VVG bzw VAG besteht eine Verpflichtung einen bestehenden privaten Krankenversicherungsvertrag in eine private Basisversicherung umzuwandeln.

6. Aus dem allgemein anerkannten Selbsthilfegrundsatz nach § 2 SGB 2 lässt sich eine Wechselverpflichtung in den Basistarif nicht ableiten.

7. Die Versicherung mit dem halben Basisversicherungsbeitrag nach § 12 Abs 1c S 4 und 6 VAG besteht gemäß § 26 Abs 2 bzw Abs 3 SGB 2 in einem Zuschuss zur Kranken- bzw Pflegeversicherung in Höhe der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 232a Abs 1 Nr 2 SGB 5 und der gesetzlichen Pflegeversicherung nach § 57 Abs 1 S 2 SGB 11.

8. Der entstehende Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen Kosten und dem übernahmefähigen Betrag des jeweiligen halben Basistarifs (tatsächlich vom Antragsteller zu erbringender Aufwand) ist gemäß § 11 Abs 2 S 1 Nr 3 Buchst a SGB 2 im Rahmen der Einkommensberechnung zu berücksichtigen, sofern ein höheres (vorläufiges) Einkommen des Antragstellers als 400 € vorliegt.

9. Zur Frage der Deckungslücke (LSG Stuttgart vom 16.9.2009 - L 3 AS 3934/09 ER-B) und des Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke in § 12 Abs 1c VAG erfolgt hier keine Entscheidung.

 

Tenor

I. Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 2. Oktober 2009 wird aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller für den Zeitraum September 2009 bis Januar 2010 vorläufige monatliche Leistungen in Höhe von 500 € zu gewähren.

II. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen.

III. Dem Antragsteller wird für beide Rechtszüge Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt S., A-Stadt, ohne Ratenzahlung bewilligt.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Form der Übernahme der Beiträge zur privaten Krankenversicherung, privaten Pflegeversicherung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe streitig.

Der 1974 geborene Antragsteller zu 1) (im Folgenden: Antragsteller) und Beschwerdeführer ist als Transportunternehmer selbstständig tätig. Hieraus wird ihm ein monatliches Einkommen aus Selbständigkeit in Höhe von 517,05 € angerechnet. Er ist bei der B. Krankenversicherung a.G. privat kranken- und pflegeversichert. Dabei hat er monatliche Beiträge in Höhe von 363,14 € (Krankenversicherung) und 19,52 € (Pflegeversicherung) zu leisten. Es handelt sich um keinen Basistarif im Sinne von § 12 Abs. 1 c VAG. Er lebt mit Frau A. N. (Antragstellerin zu 2 im Beschwerdeverfahren) in Bedarfsgemeinschaft, die eine monatliche Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht (Zahlbetrag 752,09 €) und Sozialgeld.

Die Antragsteller erhalten seit dem 14.01.2009 vorläufige Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. Bis 30.07.2009 (Bescheid vom 15.05.2009) waren darin vorläufige Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 129,54 € und 19,52 € als Zuschuss nach § 26 SGB II enthalten. Der monatliche Gesamtbetrag der Bedarfsgemeinschaft belief sich auf 675,86 €. Im Folgebescheid vom 11.08.2009 bewilligte die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin für die Zeit vom 01.08.2009 bis 31.01.2010 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende vorläufig in Höhe von 214,03 € ohne Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Zur Begründung wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass der Antragsteller kein...

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