Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. zwei verschiedenen Verfahren. Klage auf Leistungen nach dem SGB 2 für Unterkunft und Heizung für verschiedene Zeiträume
Leitsatz (amtlich)
1. Zwischen Klageverfahren und vergütungsrechtlicher Angelegenheit besteht grundsätzlich Identität (Fortsetzung von BayLSG, Beschluss vom 04.10.2010 - L 15 B 389/08 AL KO). Veränderungen des Klagegegenstands wie Verbindungen oder Trennungen schlagen sich grundsätzlich in der Zahl der Angelegenheiten nieder.
2. Liegen besondere Umstände vor, kann davon abgewichen werden; derartige Ausnahmefälle dürfen jedoch nur mit Behutsamkeit angenommen werden.
3. Werden in zwei verschiedenen Verfahren Leistungen nach dem SGB II für Unterkunft und Heizung eingeklagt, die verschiedene Zeiträume betreffen, liegen in aller Regel zwei Angelegenheiten im Sinn von § 15 RVG vor.
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 21. Februar 2011 - S 52 SF 719/09 E aufgehoben. Unter Abänderung der Festsetzung der Kostenbeamtin vom 1. Dezember 2008 werden die von der Staatskasse für das Klageverfahren S 52 AS 1864/06 zu erstattenden Kosten auf 226,10 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer vertrat K. in zwei Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (S 52 AS 650/06 und S 52 AS 1864/06), wobei er jeweils im Weg der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden war. In beiden Verfahren ging es um Leistungen für Unterkunft und Heizung im Rahmen des Arbeitslosengelds II, wobei unterschiedliche Zeiträume Streitgegenstand waren.
Nach Erledigung beider Klageverfahren beantragte der Beschwerdeführer am 24.09.2008 beim Sozialgericht die Festsetzung der Kosten nach §§ 45 ff. RVG. Dabei stellte er für jedes der beiden Klageverfahren einen gesonderten Antrag. Für das Verfahren S 52 AS 650/06 beantragte er 321,30 EUR (bei einer Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 250 EUR), für das Verfahren S 52 AS 1864/06 226,10 EUR (bei einer Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 170 EUR; die Verfahrensgebühr war wegen der Vorbefassung im Widerspruchsverfahren vermindert).
Die Kostenbeamtin beim Sozialgericht fasste beide Anträge zusammen (ihre Festsetzung trägt beide Aktenzeichen) und setzte unter dem Datum 01.12.2008 insgesamt 321,30 EUR fest. Sie vertrat die Auffassung, es liege nur eine einzige Angelegenheit im Sinn von § 15 Abs. 2 RVG vor. Dagegen hat der Beschwerdeführer am 15.12.2008 Erinnerung eingelegt.
Der Kostenrichter beim Sozialgericht hat daraus zwei Vorgänge gemacht (S 52 SF 718/09 E und S 52 SF 719/09 E). Unter dem Aktenzeichen S 52 SF 719/09 E hat er mit Beschluss vom 21.02.2011 entschieden, dass für das Klageverfahren S 52 AS 1864/06 keine Vergütung aus der Staatskasse zustehe. Zur Begründung hat er - unter Verweisung auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - ausgeführt, in der Tat liege nur eine einzige Angelegenheit im Sinn von § 15 RVG vor. Dafür könne nur eine Gebühr beansprucht werden. Die Ausgangsverfahren würden sich lediglich hinsichtlich der Bewilligungszeiträume unterscheiden; materiell-rechtlich hätten beide Verfahren die gleiche Rechtsfrage betroffen. Die beklagte Behörde habe mehrere Verwaltungsakte aus einem Rechtsgrund erlassen. Beauftrage der Adressat der angefochtenen Verwaltungsakte einen Rechtsanwalt damit, aus demselben rechtlichen Gesichtspunkt einheitlich gegen alle
Verwaltungsakte vorzugehen, werde der Rechtsanwalt, sofern keine inhaltliche oder formale Differenzierung zwischen den Verfahren geboten sei, in "derselben Angelegenheit" tätig. Im vorliegenden Fall sei eine objektive Klagehäufung möglich gewesen; nur der Erlass des Widerspruchsbescheids im Folgeverfahren hätte noch abgewartet werden müssen.
Am 03.03.2011 hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt. Er argumentiert, es lägen sehr wohl zwei voneinander zu trennende Verfahren und auch zwei verschiedene Angelegenheiten im Sinn von § 15 RVG vor. Er hält an seinem ursprünglichen Kostenansatz in Höhe von 226,10 EUR fest.
II.
Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist der Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Auch ist sie fristgerecht eingelegt worden (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG).
Die Beschwerde ist auch begründet, weil der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Festsetzung von 226,10 EUR hat. Die Prozessvertretung durch den Beschwerdeführer im Verfahren S 52 AS 1864/06 stellt gegenüber der im Verfahren S 52 AS 650/06 eine eigene Angelegenheit im Sinn von § 15 RVG dar (vgl. unten 1.). Die vom Beschwerdeführer hierfür angesetzten Kosten in Höhe von 226,10 EUR entsprechen auch billigem Ermessen (vgl. unten 2.).
1. Die beiden Klageverfahren S 52 AS 1864/06 und S 52 AS 650/06 verkörpern unterschiedliche Angelegenheiten im Sinn von § 15 RVG. Daher sind für beide Verfahren, auch für das ...