Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Bewertung eines Befangenheitsgesuches als prozesstaktisches Mittel. Rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch. Anhörungsrüge
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Beteiligter eine Vielzahl von sozialgerichtlichen Verfahren angestrengt (hier: über 80 Verfahren in 8 Jahren), kann dies im Rahmen der Bewertung eines Befangenheitsgesuches als prozesstaktisches Mittel Berücksichtigung finden.
Normenkette
ZPO § 45 Abs. 1; SGG § 60 Abs. 1, § 178a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 5
Tenor
I. Das Gesuch des Antragstellers vom 05.12.2016, den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialgericht R. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
II. Die Anhörungsrüge des Antragstellers vom 05.12.2016 wird als unzulässig verworfen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Am 02.11.2016 hat der Antragsteller bei der Antragsgegnerin beantragt, ihm ab 09.11.2016 bis 25.11.2016 in der Geschäftsstelle R. Einsicht in sämtliche Unterlagen zu seiner Person zu gewähren. Dies hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 04.11.2016 abgelehnt mangels laufenden Verwaltungsverfahrens. Einen dazu gestellten Eilantrag hat das Sozialgericht Regensburg mit Beschluss vom 22.11.2016 abgelehnt, es bestehe mangels konkreten Vorganges kein Anordnungsanspruch sowie mangels Dringlichkeit kein Anordnungsgrund. Die dagegen am 28.11.2016 beim Bayerischen Landessozialgericht eingegangene Beschwerde hat dieses nach Anhörung der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 29.11.2016 gem. § 155 Abs. 2 Satz 2 SGG unter Bezug auf die erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen.
Dagegen hat der Antragsteller Anhörungsrüge erhoben sowie einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden gestellt.
II.
Der Senat entscheidet in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung entsprechend dem Ausgangsverfahren über Ablehnungsgesuche (vgl. § 60 SGG, §§ 41 ff ZPO) und zwar abweichend von § 60 Abs. 1 SGG, § 45 Abs. 1 ZPO in der aus dem Rubrum ersichtlichen Besetzung unter Mitwirkung des Richters, der für befangen gehalten wird. In der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichtshöfe und des BVerfG ist anerkannt, dass rechtsmissbräuchliche oder gänzlich untaugliche Ablehnungsgesuche ausnahmsweise im vereinfachten Ablehnungsverfahren in der Ausgangs-Besetzung des Gerichts unter Beteiligung der abgelehnten Richter behandelt werden können, wenn für die Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Dies ist der Fall, wenn das Gericht einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts für sachfremde Zwecke verhindern will oder lediglich eine bloße Formalentscheidung über ein offensichtlich unzulässiges Gesuch trifft, die keinerlei Beurteilung des eigenen Verhaltens durch die entscheidenden Richter und kein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erfordert (BSG, 7.9.2016 - B 10 SF 2/16 C, BeckRS 2016, 74136, Rn 2; BVerfG NJW 2013, 1665; BVerfG NJW 2007, 3771; BFH NJW 2009, 3806 mwN; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,Keller, SGG, 11. Aufl. 2014, § 60 Rn. 10d mwN).
Das Ablehnungsgesuch ist offensichtlich unzulässig und damit rechtsmissbräuchlich (vgl. BSG SozR 4-1500 § 60 Nr. 7; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Keller, SGG, 11. Aufl. 2014, § 60 Rn. 10b; BSG, 16.4.2012 - B 11 AL 5/12 C), so dass ohne die vorherige Einholung von dienstlichen Stellungnahmen entschieden werden darf (dazu: BVerfGE 131, 239, 252 f; BVerfGK 5, 269, 280 f). Denn der Antragsteller hat keinerlei erkennbare objektiver Anknüpfungspunkte dafür, dass der als befangen bezeichnete Richter voreingenommen sei, vorgebracht, sondern dies lediglich mit aus der Luft Gegriffenem vorgehalten. Er mahnt Erstens, der sozialgerichtliche Beschluss vom 22.11.2016 existiere nicht; damit lässt sich Befangenheit nicht im Entferntesten in Verbindung bringen. Zweitens hätte der Senat über die Beschwerde nicht binnen eines Tages entscheiden dürfen; mit einer Rüge, das Gericht habe in einem wegen des geltend gemachten Zeitbezuges angestrengtem Eilverfahren - also zu dem auf 09.11.2016 bis 25.11.2016 zeitbezogenen Akteneinsichtsbegehren - besonders zeitnah entschieden, kann Befangenheit nicht ansatzweise in Verbindung gebracht werden. Drittens sei die Erwähnung von mehr als 80 gerichtlichen Verfahren unsachlich; dem steht entgegen, dass die - zudem nicht die Beschlussbegründung ansatzweise berührende - Anzahl früherer Verfahren nach der Rechtsprechung des BSG als sachliches Indiz für prozesstaktische Mittel in Frage kommt (BSG, 09.11.2016 - B 8 SO 32/16 BH, BeckRS 2016, 74608, Rn. 4). Schlussendlich ist das Befangenheitsgesuch unzulässig, weil sich mittlerweile das dem Eilverfahren zu Grunde liegende Akteneinsichtsgesuch, das der Antragsteller konkret auf die Zeit vom 09.11.2016 bis 25.11.2016 datiert hat, durch Zeitablauf erledigt ist.
III.
Ebenfalls unzulässig ist die geltend gemachte Gehörsrüge. Der Antragsteller hat mit seiner Anhörungsrüge die behauptete Verletzung rechtlichen Gehörs nicht dargelegt, wie es § 178a Abs. 1...