Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit. Beschwerde gegen abgelehnte Tatbestandsberichtigung. Auslegung des Begriffs Urteilsergänzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Unzulässigkeit einer Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem eine Tatbestandsberichtigung abgelehnt wurde.

2. Die Verwendung des Begriffs Urteilsergänzung ist der Auslegung zugänglich.

 

Orientierungssatz

Das Ergänzungsurteil gem § 140 SGG erlaubt es nicht, hinsichtlich übersehener Angriffs- oder Verteidigungsmittel oder fehlender Tatsachenfeststellung nachzubessern.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 17. September 2009 wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Bf.) begehrt eine Berichtigung des Tatbestandes des Urteils des Sozialgerichts München vom 3. Juli 2009, hilfsweise eine Urteilsergänzung. Das Sozialgericht verurteilte darin die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Bg.) in Abänderung des Bescheides vom 29. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2007, dem Kläger eine volle Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls am 28. Dezember 2007 nach den gesetzlichen Vorschriften bis 31. Dezember 2009 zu gewähren. Der Bf. hatte weitergehend die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer beantragt.

Der Bf. hat gegen dieses Urteil beim Sozialgericht Berufung eingelegt und gleichzeitig Tatbestandsberichtigung, hilfsweise Urteilsergänzung beantragt. Im Tatbestand des Urteils sei unzutreffend ausgeführt, ein Antrag gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei erst in der mündlichen Verhandlung gestellt worden. Vielmehr sei dieser Antrag bereits mit Schriftsatz vom 9. Juli 2008 hilfsweise gestellt worden.

Das Sozialgericht hat den "Antrag auf Tatbestandsberichtigung, hilfsweise Urteilsergänzung" mit Beschluss vom 17. September 2009 abgelehnt. Der mit Schriftsatz vom 9. Juli 2008 gestellte Antrag nach § 109 SGG sei nach der Einholung eines Gutachtens nach § 106 SGG nicht wiederholt worden. Da der Antrag nur für den Fall, dass nicht von Amts wegen ermittelt werde, gestellt worden sei, sei er hinfällig geworden. Eine Aufnahme in den Tatbestand sei dabei entbehrlich gewesen. Als Rechtsbehelf gegen diesen Beschluss sei die Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht statthaft.

Zur Begründung der hiergegen eingelegten Beschwerde hat der Bf. vorgebracht, die Ermittlungen von Amts wegen änderten nichts daran, dass der Antrag in Schriftform vorgelegen habe. Ein Beweisantrag nach § 109 SGG stehe in keinem Hilfsverhältnis zu Amtsermittlungen des Sozialgerichts. Im Übrigen sei der Beschluss aus formalen Gründen rechtswidrig, da über diesen mündlich zu verhandeln gewesen wäre; es hätte eine Entscheidung durch die gesamte Kammer, nicht durch die Vorsitzende ergehen müssen. Er hat auf § 140 SGG verwiesen.

Die Bg. hat sich hierzu nicht geäußert.

II.

Die Beschwerde ist insgesamt als unzulässig zu verwerfen.

Der Antrag des Bf. zielt zunächst ausdrücklich auf eine Tatbestandsberichtigung, die sich nach § 139 SGG richtet. Das Gericht entscheidet hierbei ohne Beweisaufnahme durch Beschluss, § 139 Abs. 2 S. 1 SGG. Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss ist nicht statthaft, da nach § 139 Abs. 2 S. 2 SGG der Beschluss unanfechtbar ist. Dabei ist eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung unschädlich. Sie eröffnet kein Rechtsmittel, das gesetzlich ausgeschlossen ist (BSG Breith. 78, 998).

Auch der ’hilfsweise gestellte Antrag auf Urteilsergänzung‚ ist als unzulässig zu verwerfen. Im Beschwerdeverfahren verweist der Bf. erstmals auf § 140 SGG. Hat das Urteil einen von einem Beteiligten erhobenen Anspruch oder den Kostenpunkt ganz oder teilweise übergangen, so wird es auf Antrag nachträglich ergänzt, § 140 Abs. 1 S. 1 SGG. Hierbei wird über den Antrag in einem besonderen Verfahren entschieden, § 140 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Entscheidung ergeht nur dann durch Beschluss, wenn es sich lediglich um den Kostenpunkt handelt. Die Entscheidung hat im Übrigen durch Urteil zu ergehen, das mit dem bei dem übergangenen Anspruch zulässigen Rechtsmittel angefochten werden kann, § 140 Abs. 2 S. 2 SGG. Ein derartiges Ergänzungsurteil liegt nicht vor und ist auch nicht in dem Beschluss vom 17. September 2009 zu sehen.

Zwar entschied das Sozialgericht in dem Beschluss auch hilfsweise über eine "Urteilsergänzung", ohne sich jedoch auf die Regelung des § 140 SGG zu beziehen. Dies war auch zutreffend, da § 140 SGG nur das Übersehen eines materiellen Anspruchs regelt, nicht wie vorliegend die umstrittene Erwähnung eines Antrags auf Begutachtung nach § 109 SGG. Das Ergänzungsurteil erlaubt es nicht, hinsichtlich übersehener Angriffs- oder Verteidigungsmittel oder fehlender Tatsachenfeststellung nachzubessern (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 140 Rdnr. 2 m.w.N.). Aus der ergänzend heranzuziehenden Begründung des Beschlusses wird deutlich, dass sich das Sozialgericht nur mit der Tatbestandsberichtigung befasst hat. Statt einer "Urtei...

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