Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten
Leitsatz (amtlich)
Der Eintritt der Genehmigungsfiktion für die Versorgung mit Cannabis setzt eine ärztliche Verordnung voraus.
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgericht München vom 21.02.2018 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ein Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten.
Der Antragsteller, geboren 1962, leidet an den Folgen eines Polytraumas nach einem PKW-Unfall im Jahr 1984 sowie an einer entzündlichen Darmerkrankung. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hatte dem Antragsteller bereits am 10.11.2016 die Erlaubnis erteilt, Medizinial-Cannabisblüten zu erwerben.
Am 02.03.2017 (Eingangsstempel) beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Kostenübernahme für medizinisches Cannabis laut ärztlicher Verordnung. Am 06.03.2017 informierte die Antragsgegnerin den Antragsteller telefonisch, dass die gesetzliche Regelung für Cannabis auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung erst nach Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft trete.
Der behandelnde Arzt Dr. B. führte in einem Arztfragebogen unter dem 11.04.2017 aus, dass die bisherige Medikation unzureichend bzw. unverträglich gewesen sei. Verordnet werden sollen Medizinal-Cannabisblüten. In einer Stellungnahme vom 19.04.2017 gelangte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) zu dem Schluss, dass anhand der vorgelegten Informationen eine schwerwiegende Erkrankung nicht bestätigt werden könne. Auch werde keine Begründung für eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bzw. die Symptome gegeben.
Die Antragsgegnerin lehnte daraufhin mit Bescheid vom 27.04.2017 die Versorgung mit Cannabis ab. Im Rahmen des anschließenden Widerspruchsverfahrens legte der Antragsteller weitere ärztliche Atteste und Befundberichte vor. Der MDK gelangte unter Würdigung dieser Unterlagen am 23.05.2017 zu dem Ergebnis, dass das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung nicht sicher bejaht werden könne. An dem Ergebnis der vorangegangenen Prüfung durch den MDK werde im Wesentlichen unverändert festgehalten. Die Antragsgegnerin wies daraufhin den Widerspruch zurück mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2017.
Der Kläger hat hiergegen Klage erhoben zum Sozialgericht München (S 29 KR 1177/17) und vorgetragen, er erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Versorgung mit Cannabis-Blüten. Die bei ihm bestehende Erkrankung einer colitis ulcerosa verursache eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und die Knorpelschäden beider Kniegelenke sowie die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und muskulären Verspannungen stellten schwerwiegende Erkrankungen im Sinne dieser Vorschrift dar. Damit stehe dem Antragsteller ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der notwendigen Medizinal-Cannabis zu.
Das Sozialgericht hat mit Beweisanordnung vom 5.10.2017 den Internist Dr. W. M., M-Stadt, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt. Der Antragsteller hat eine Begutachtung im Hinblick auf die vorliegende Ausnahmegenehmigung für nicht erforderlich gehalten und ist dem anberaumten Termin zur körperlichen Untersuchung fern geblieben.
Am 30.10.2017 hat der Kläger einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache sei nicht zumutbar aufgrund der gravierenden Einschränkung der Lebensqualität und zu befürchtender Verschlechterungen des Gesundheitszustands.
In seinem Gutachten nach Aktenlage vom 23. Januar 2018 ist der Sachverständige Dr. M. zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Kläger keine schwer wiegende Erkrankung vorliege, die nicht standardisierten Maßnahmen zugeführt werden könne. Bei einem degenerativen Wirbelsäulensyndrom, aber auch bei einer Osteochondrose stünden zunächst konservative Maßnahmen wie Krankengymnastik, Ergotherapie, zum Teil auch Massagebehandlungen im Vordergrund, außerdem müsste zunächst eine orthopädische Mitbehandlung im Sinne einer intensivierten Schmerzbehandlung durchgeführt werden. Von Seiten des behandelnden Orthopäden würde eine OP-Indikation ausgeschlossen. Weitere Behandlungsmaßnahmen würden im vorliegenden Fall nicht debattiert und seien auch nicht dokumentiert. Andere wesentliche Erkrankungen seien nicht dokumentiert, es sei eine Sigmoiditis beschrieben, Morbus Crohn oder eine colitis ulcerosa mit entsprechender histologischer Bestätigung ließen sich nach den entsprechen Unterlagen nicht eindeutig nachweisen. Aber auch hier stünden standardisierte Maßnahmen zur Verfügung, eine Cannabistherapie sei hier völlig fehl am Platze. Hinsichtlich des Unfalls im Jahr 1987 gibt der Sachverständige zu bedenken, dass ein mittlerweile 30 Jahre zurückliegender Unfall mit entsprechenden Folgen nach menschlichem Ermessen als weitgehend ausgeheilt bewertet werden müsse. Somit sei im vorli...