Entscheidungsstichwort (Thema)
Rezepturarzneimittel, Cannabis, Dronabinol. Krankenversicherung. keine Leistungspflicht für cannabishaltiges Schmerzmittel "Dronabinol" bei Fibromyalgie im einstweiligen Rechtsschutz
Leitsatz (amtlich)
Keine Versorgung zu Lasten der GKV mit dem Rezepturarzneimittel Dronabinol bei Fibromyalgie im Wege des einstweiligen Rechtschutzes.
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 31.08.2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Versorgung mit dem Rezepturarzneimittel Dronabinol.
Der 1935 geborene Antragsteller (Ast.) ist Mitglied der Beklagten. Mit Schreiben vom 20.05.2015 wandte sich sein behandelnder Neurologe Dr. C. an die Antragsgegnerin (Ag.) und teilte mit, der Ast. leide unter einem chronischen Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren (Fibromyalgiesyndrom). Er habe in den Jahren 2006 bis 2007 nach vielfältigen Behandlungsmaßnahmen eine deutliche Besserung der Beschwerdesymptomatik durch Einnahme eines THC-Präparats (Dronabinol) erreicht. In den folgenden Jahren sei es dem Ast. gut gegangen. Jetzt verspüre er seit einigen Wochen wieder vermehrte Schmerzen und bitte daher um Verordnung des Präparates.
Die Ag. lehnte mit Bescheid vom 28.05.2015 die Übernahme der Kosten ab, da Dronabinol als Rezepturarzneimittel in Deutschland keine Arzneimittelzulassung habe. Einzig das Arzneimittel Sativex mit dem Extrakt der Cannabispflanze sei für die Therapie der Spastik bei Patienten mit Multipler Sklerose zugelassen. Eine Verordnungsfähigkeit von Dronabinol bestehe nach §135 SGB V erst nach Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens sowie der medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA). Die Behandlung von Erkrankungen mit entsprechenden Rezepturen sei bisher von den zuständigen Gremien noch nicht bewertet worden. Da außerdem auf dem deutschen Arzneimittelmarkt verschiedene Schmerzmittel, die verordnungsfähig sind und vorrangig zur verschreiben sind, zur Verfügung stehen, scheide eine Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse aus. Ohne Bedeutung sei dabei, dass im Jahr 2007 positive Erfahrungen damit gemacht wurden. Dieser Umstand reiche nicht aus, erneut eine Therapie mit Cannabis zu genehmigen. Dem Ast. wurde empfohlen, sich vom behandelnden Arzt über alternative Behandlungsmöglichkeiten beraten zu lassen.
In einem Schreiben vom 01.06.2015, das die Ag. offenbar als Widerspruch wertete, beschrieb der Ast. Einzelheiten der Antragstellung und seiner Erfahrungen mit dem Medikament. Vorgelegt wurden Verordnungen offenbar über diverse Schmerzmittel durch Dr. M. vom Januar 2013 bis März 2015. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK). Dieser stellte im Gutachten vom 26.06.2015 fest, dass ein chronisches Schmerzsyndrom zwar die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen könne und einer qualifizierten schmerztherapeutischen Behandlung bedürfe, das Ausmaß einer lebensbedrohlichen Erkrankung jedoch bei weitem nicht erreicht werde. Ein Fibromyalgiesyndrom erfordere ein multimodales und langfristiges Behandlungskonzept, bestehend aus medikamentöser Therapie, physikalischer und krankengymnastischer Maßnahmen, regelmäßiger Bewegungstherapie, regelmäßiger aeroben Ausdauertrainings, Entspannungsverfahren und Verhaltenstherapie sowie einer Patientenschulung. Das THC, das mittlerweile der therapeutisch wichtigste Bestandteil von Cannabis sei, werde in den USA seit längerem für die Behandlung des Zystostatikabedingten(?) Erbrechens und der Anorexie von HIV-Patienten eingesetzt. Das Medikament Sativex sei seit Juni 2010 in der EU zugelassen zur Symptomverbesserung bei erwachsenen Patienten mit mittelschwerer und schwerer Spastik aufgrund von Multipler Sklerose (MS), die nicht angemessen auf eine andere antispastische Arzneimitteltherapie angesprochen haben. Über den medizinischen Nutzen von Cannabinoiden in der Schmerztherapie bestehe dagegen in Fachkreisen weiterhin keine Einigkeit. Bei gleichzeitig hohem Suchtpotenzial falle die Nutzen-Risiko-Bewertung für diese Anwendungsindikationen eher ungünstig aus. Mit einer Einsatzerweiterung durch die EMA oder den GBA sei daher in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 06.12.2005 kämen im Falle des Klägers nicht zum Tragen, da keine lebensbedrohliche oder im Schweregrad vergleichbare Erkrankung vorliege.
Mit Schreiben vom 14.07.2015 hat die Ag. daraufhin erneut mitgeteilt, dass eine Übernahme der Kosten für die Behandlung mit Dronabinol nicht möglich sei. Den dagegen gerichteten Widerspruch begründete der Ast. erneut damit, dass er aufgrund des Wiederausbruchs der Fibromyalgie nach acht Jahren austherapiert sei und ein Ersatzmedikament nicht zur Verfügung stehe. Über die unberechtigte Ablehnung se...