Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsvollstreckung, Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes, Verfristung. Sozialgerichtliches Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Auch eine einstweilige Anordnung ist ein Vollstreckungstitel im Sinne von §§ 199 Abs. 1 Nr. 2, 200 SGG.
2. Das Gericht des ersten Rechtszugs hat auf Antrag ein Zwangsgeld auch für die Verpflichtung aus einer einstweiligen Anordnung anzudrohen und nach vergeblichem Fristablauf festzusetzen.
3. Die Vollstreckbarkeit aus einer einstweiligen Anordnung ist nicht mehr gegeben, wenn die Frist nach § 929 Abs. 2 ZPO verstrichen ist.
4. Bei der Fallkonstellation einer Güter und Folgen abwägenden, prognostisch zukunftsbezogenen Entscheidung beginnt die Frist nach § 929 Abs. 2 ZPO mit der Zustellung der stattgebenden einstweiligen Anordnung. Der Sinn einer auf einer Güter- und Folgenabwägung beruhenden Entscheidung gebietet es auch dem Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutz trotz der Unwägbarkeiten in der Sachverhaltsermittlung existenziell notwendige Leistungen der Grundsicherungsleistung in einem absehbaren Zeitraum zu sichern.
5. Die Frist beginnt nicht erst dann, wenn der Antragsteller erkennen könnte, dass die Behörde der Anordnung nicht oder nur unzureichend folgen werde.
6. Eine Behörde, die sich auf § 929 Abs. 2 ZPO beruft und nach Ablauf der Vollziehbarkeit nicht mehr leistet, handelt nicht rechtsstaatswidrig.
7. Die Antragsgegnerin läuft nicht Gefahr, mit ungerechtfertigten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen überzogen zu werden, wenn sich die Verhältnisse tatsächlich geändert haben. Denn sie kann entweder eine Änderung des Anordnungsbeschlusses bewirken oder aber sich auf den Entfall bzw. eine Durchbrechung der Rechtskraft berufen.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 16. Januar 2009 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller keine Kosten zu erstatten.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Gründe
I.
Hier ist über einen Antrag auf Zwangsvollstreckung zu befinden. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragsgegnerin durch Zwangsgeld anzuhalten ist, dem Antragsteller Grundsicherung im Alter sowie der tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung aus einer einstweiligen Anordnung vom 26.11.2007 (Az. L 8 B 800/07 SO ER) bis 31.05.2008, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache, zu erbringen.
Einen am 21.03.2007 gestellten Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 03.04.2007 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit ab. Hiergegen wurde weder Widerspruch erhoben noch sonst ein Rechtsbehelf ergriffen.
Das Sozialgericht München - SG - (vorläufiger Rechtsschutz, S 48 SO 194/07 ER) hatte die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 26.07.2007 verpflichtet, Leistungen in Höhe von 80 v.H. des gesetzlich zustehenden Regelsatzes sowie der tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung des Antragstellers (85 m² große 3-Zimmer-Wohnung zu 1.037,46 Euro monatlich) bis zur bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung über seinen Leistungsantrag vom 21.03.2007 zu erbringen sowie ihm ein Darlehen zur Tilgung seiner Mietschulden zu bewilligen. Ausschlaggebend sei eine Güter- und Folgenabwägung. Denn die fristlose Kündigung der Wohnung des Antragstellers begründe eine aktuelle Notlage, gegenüber der das Interesse der Antragsgegnerin, bei Erfolglosigkeit des Hauptsacherechtsbehelfs nicht auf einen Rückerstattungsanspruch verwiesen zu sein, in den Hintergrund trete. Im Übrigen habe es die Antragsgegnerin versäumt, nähere Einzelheiten über die selbstständige Tätigkeit des Antragstellers in Erfahrung zu bringen und insbesondere zu ermitteln, ob sein Kfz unentbehrlich für die Fortsetzung der Tätigkeit sei. Die Antragsgegnerin hatte gegenüber dem SG ausgeführt, dass unabhängig von den Vermögensfreigrenzen (Verwertung des Kfz mit einem Wiederbeschaffungswert von 7.800 Euro, Restwert 2.800 Euro) die Einkommenssituation völlig unklar sei. So sei nicht bekannt, seit wann die Ehefrau des Antragstellers wieder arbeite, welche Unterstützungen aus dem Familien- und Freundeskreis zugeflossen seien und in welchem Umfang der Antragsteller Betreuungsprovisionen eingenommen habe.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin zum Bayer. Landessozialgericht - LSG - verpflichtete der Senat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 26.11.2007 (L 8 B 800/07 SO ER) zur Erbringung der zuerkannten Leistungen der Grundsicherung im Alter sowie der tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung des Antragstellers lediglich bis 31.05.2008, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache (..."Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 26.07.2007 wird dahingehend abgeändert, dass die Antragsgegnerin verpflichtet wird, dem Antragsteller die zuerkannten Leistungen der Grundsicherung im Alter sowie der tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung des Antragstellers bis 31.05.2008, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache, zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen".)
Hinsichtlich der Unterkunftskosten erklärte sich die...