Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege der einstweiligen Anordnung für einen Ausländer
Leitsatz (amtlich)
Im einstweiligen Rechtsschutz ist nicht möglich festzustellen, ob § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II wegen des Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 (VO) EG 883/2004 unanwendbar ist.
Leistungen nach dem SGB II können Sozialhilfeleistungen iS. des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG sein und zugleich besondere beitragsunabhängige Geldleistungen nach Art. 70 VO (EG) 883/2004.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 31. März 2014 unter Ziffer I. und II. abgeändert.
II. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II für die Zeit vom 12. Januar 2014 bis zum 31. Januar 2014 in Höhe von 390,13 €, für die Zeit vom 1. Februar 2014 bis zum 30. April 2014 in Höhe von monatlich 501,40 € und für die Zeit vom 1. Mai 2014 bis zum 31. Juli 2014 in Höhe von 616 € vorläufig zu gewähren.
III. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
IV. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt K. S., B-Straße, A-Stadt beigeordnet. Ratenzahlungen sind nicht zu erbringen.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen nach dem Zweitem Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 12.01.2014 streitig.
Der 1978 geborene Beschwerdeführer und Antragsteller (Bf) ist polnischer Staatsangehöriger und lebt seit dem 01.07.2009 in Deutschland. Er bewohnt eine 22 m² große Wohnung, für die er monatlich 225 € Mietkosten inklusive Betriebskosten- und Heizkostenvorschuss bezahlt.
Er war in Deutschland als Trockenbauer und im Gastgewerbe sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 16.09.2013 ist er arbeitslos.
Mit Bescheid vom 01.10.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 08.10.2013 und 18.10.2013 gewährte der Beschwerdegegner und Antragsgegner (Bg) Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.09.2013 bis zum 31.12.2013 in Höhe von monatlich 607 € und für die Zeit vom 01. 01.2014 bis 11.01.2014 in Höhe von 222,57 €.
Der Weitergewährungsantrag vom 23.12.2013 wurde mit Bescheid vom 27.12.2013 abgelehnt, da der Bf keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes habe, weil er ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland allein zum Zweck der Arbeitssuche habe (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB II). Gegen diesen Bescheid legte der Bevollmächtigte des Bf Widerspruch ein.
Aus den Akten des Bg ergibt sich eine Minderung des Arbeitslosengeldes II, die mit bestandskräftigem Bescheid vom 15.01.2014 für die Zeit vom 01.02.2014 bis zum 30.04.2014 in Höhe von 114,60 € festgestellt wurde, da der Bf am 09.12.2013 eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit (Integrationskurs Deutsch) nicht aufgenommen habe.
Der Prozessbevollmächtigte des Bf beantragte beim Sozialgericht Landshut am 07.01.2014 im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung von vorläufige Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ab 12.01.2014. Der Ausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sei europarechtskonform einzuschränken. Als EU-Bürger unterliege der Bf diesem Leistungsausschluss nicht. Es liege jedenfalls der Schluss nahe, dass für alle Unionsbürger ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nach den gleichen Maßstäben wie für Deutsche ergebe, auch wenn ihr Aufenthaltsrecht nur auf der Arbeitssuche beruhe; damit wäre der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II mit Europarecht unvereinbar. Die Klärung dieser Rechtsfrage sei angesichts ihrer Schwierigkeit und Komplexität dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei in einem solchen Fall auf der Grundlage einer Folgenabwägung zu entscheiden, diese würde zu Gunsten des Bf ausfallen, da Leistungen der Grundsicherung im Streit stehen.
Das Sozialgericht Landshut lehnte den Antrag mit Beschluss vom 31.03.2014 ab. Der Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Der Anspruch des Bf auf Leistungen nach dem SGB II sei vorliegend gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind von den Leistungen nach dem SGB II Ausländer ausgeschlossen, deren Aufenthaltsrecht sich alleine aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Gegen die Anwendung dieser Vorschrift bestünden keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Leistungsausschluss verstoße nicht gegen das Recht der Europäischen Union, insbesondere nicht gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des allgemeinen Gleichbehandlungsgebots, wenn noch keine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt bestehe. Eine solche Verbindung bestehe nach Auffassung des Gerichts noch nicht. Somit bleibe für eine Folgenabwägung kein Raum. Hieran ändere auch der Beschluss des Bundessozialgerichts...