Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Hinreichende Erfolgsaussicht. Widerspruchsfrist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Überprüfungsantrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Zugangsdatum kann nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X nur fingiert werden, wenn in der Verwaltungsakte vermerkt ist, an welchem Tag der Bescheid zur Post gegeben wurde.

2. Erfährt der Widerspruchsführer, dass sein Widerspruchsschreiben nicht bei der Behörde eingegangen ist, beginnt ab diesem Zeitpunkt die Frist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

 

Normenkette

SGG §§ 67, 73a; ZPO § 114 S. 1; SGB X § 37 Abs. 2 S. 1, § 44

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichtes vom 18.07.2008 im Verfahren S 6 AL 254/08 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH). Die Klägerin begehrt im Verfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG) die Gewährung einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme.

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten erstmals im Jahr 1998 Leistungen zur beruflichen Rehabilitation, die mit Bescheid vom 10.02.2004 eingestellt wurden, nachdem die Klägerin ab dem 01.10.2003 eine selbständige Tätigkeit aufgenommen hatte. Nach Bestandskraft dieses Bescheides meldete sich die Klägerin im April 2004 bei der Beklagten und begehrte - unter Hinweis auf die Aufgabe der selbständigen Tätigkeit - erneut Leistungen der beruflichen Rehabilitation.

In der Folgezeit beabsichtigte sie, einen Lehrgang zur Betriebswirtin für Sozialwesen bzw. zur Krankenhausbetriebswirtin zu absolvieren. Mit Schreiben vom 15.05.2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Weiterbildung zur Krankenhausbetriebswirtin nicht möglich sei, weil insoweit eine vorhergehende Beratung noch nicht stattgefunden habe. Nach Anfrage des Bevollmächtigten der Klägerin teilte die Beklagte diesem mit Schreiben vom 18.08.2006 mit, dass es sich bei dem Hinweis vom 15.05.2006 nicht um eine ablehnende Entscheidung in Bezug auf eine konkrete Weiterbildungsmaßnahme gehandelt habe, und dass die Klägerin zur weiteren Klärung der beruflichen Rehabilitation zu einem Gespräch eingeladen werde.

Mit Bescheid vom 11.05.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie das Rehabilitationsverfahren als abgeschlossen ansehe, weil die Klägerin zum 01.05.2007 ein neues Beschäftigungsverhältnis - bei der Fa. F. International - aufgenommen habe, von dem man ausgehe, dass dieser Arbeitsplatz gesundheitlich geeignet sei. Soweit zu einem späteren Zeitpunkt erneut Leistungen zur Teilhabe erforderlich sein sollten, sei ein neuer Antrag zu stellen. Der Eingang eines Widerspruches in Bezug auf diesen Bescheid findet sich nicht in den Akten.

Der Bevollmächtigte der Klägerin rügte mit Schriftsatz vom 28.02.2008, dass die Klägerin - entgegen der Ankündigung im Schreiben vom 18.08.2006 - noch immer nicht zu einem Gespräch hinsichtlich des weiteren Rehabilitationsverlaufes eingeladen worden sei. Hierauf erwiderte die Beklagte (Schreiben vom 14.03.2008), dass nach verschiedenen Gesprächen (Ende 2006/ Anfang 2007) das Rehabilitationsverfahren - nach Aufnahme einer Beschäftigung durch die Klägerin - mit bestandskräftigen Bescheid vom 11.05.2007 abgeschlossen worden sei, und man habe die Klägerin bereits am 03.03.2008 telefonisch auf die Notwendigkeit eines erneuten Antrages hingewiesen; die an die Klägerin übersandten Antragsunterlagen sollten zügig zurückgesandt werden, da auch die Leistungsträgerschaft des Rentenversicherungsträgers in Betracht zu ziehen sei.

Im Schriftsatz vom 28.03.2008 mahnte der Bevollmächtigte der Klägerin - mit der Ankündigung einer Untätigkeitsklage - eine eiligste Bearbeitung der Angelegenheit an, weil die Klägerin zum nächst möglichen Termin - im April 2008 - die Maßnahme beginnen wolle.

Mit Schreiben vom 05.04.2008 übersandte die Klägerin der Beklagten die Unterlagen in Bezug auf den erneuten Rehabilitationsantrag. Nach dem Vermerk auf dem Antragsformular wurden die Antragsunterlagen der Klägerin am 03.03.2008 ausgehändigt und gingen am 14.04.2008 bei der Beklagten ein.

Mit weiterem Schreiben vom 07.04.2008 machte der Bevollmächtigte der Klägerin geltend, dass bereits mit Schreiben vom 31.05.2007 die Klägerin persönlich Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.05.2007 eingelegt habe.

Am 15.04.2008 leitete die Beklagte den am 14.04.2008 schriftlich eingegangenen Rehabilitationsantrag - unter Hinweis auf § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) - an den nach ihrer Auffassung zuständigen Rentenversicherungsträger (Bund) weiter.

Nachdem der Eingang eines Schreibens vom 31.05.2007 in den Akten der Beklagte nicht zu verzeichnen war, fasste diese das Schreiben vom 07.04.2008 als Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.05.2007 auf und wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2008 wegen Verfristung als unzulässig zurück.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 21.05.2008 Klage (S 6 AL 254/08) zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie die ...

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