Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Einstweiliger Rechtsschutz gegen eine Eingliederungsvereinbarung. Anforderungen an das Feststellungsinteresse bei vorsorglichen Rechtsschutz gegen eine künftige Sanktion wegen einer Pflichtverletzung aus einer Eingliederungsvereinbarung. Zulässigkeit der Vereinbarung gesundheitsbezogener Maßnahmen in einer Eingliederungsvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
Einstweiliger Rechtsschutz gegen eine von den Beteiligten abgeschlossene Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II ist in Form einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG statthaft. Antragsziel ist die vorläufige Feststellung der Unwirksamkeit/Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung oder einzelner Pflichten.
Auch im Eilverfahren ist ein berechtigtes Feststellungsinteresse erforderlich. Dies kann sich auf die vorläufige Suspendierung von vereinbarten Pflichten beziehen oder auf künftige Sanktionen. Bzgl. künftiger Sanktionen handelt es sich um vorbeugenden Rechtsschutz. Das dafür nötige qualifizierte Feststellungsinteresse fehlt, wenn nachträglicher Rechtsschutz möglich und ausreichend ist.
Der Eilantrag ist begründet, wenn ein Anspruch auf die begehrte Feststellung glaubhaft ist (Anordnungsanspruch) und wenn glaubhaft ist, dass die Feststellung eilbedürftig ist, weil ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar ist (Anordnungsgrund). Beim Anordnungsanspruch ist der begrenzte Prüfungsrahmen für öffentlich rechtliche Verträge zu beachten.
Orientierungssatz
1. Gegen eine aus einer Eingliederungsvereinbarung abgeleitete Sektion bei Verletzung einer übernommenen Verpflichtung zur Eingliederung ist in der Regel ein nachträglicher Rechtsschutz ausreichend. Für eine vorbeugende Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Sanktion im sozialgerichtlichen Eilverfahren fehlt es dagegen regelmäßig an einem Rechtsschutzbedürfnis.
2. In einer Eingliederungsvereinbarung im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende können auch gesundheitsbezogene Maßnahmen und Pflichten vereinbart werden, wenn diese im Zusammenhang mit dem Eingliederungsziel stehen.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 13. Mai 2015 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen Verpflichtungen aus einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 1959 geborene Antragsteller hat keinen Beruf erlernt und war in seinem Leben nur geringe Zeit erwerbstätig. Er bezieht seit längerem vom Antragsgegner Arbeitslosengeld II. Laut Vermittlungsvermerk vom 25.10.2007 habe der Antragsteller geäußert, dass er sein Leben lang "von Beruf Sohn gewesen sei". Auf Einladungen zu Meldeterminen legte er oftmals eine ärztliche Bescheinigung über Arbeitsunfähigkeit vor. Am 11.04.2013 wurde der Antragsteller durch den ärztlichen Dienst der BA begutachtet. Dabei wurde ein vollschichtiges Leistungsvermögen für überwiegend mittelschwere Tätigkeiten festgestellt.
Am 21.05.2013 erließ der Antragsgegner eine Eingliederungsvereinbarung in Form eines Verwaltungsaktes. Der Antragsteller wandte sich im Eilverfahren S 9 AS 690/13 ER gegen diesen Verwaltungsakt, weil das Gutachten vom 11.04.2013 eine kardiologische Untersuchung empfohlen habe, die er nicht vorgenommen habe. Im Beschwerdeverfahren L 7 AS 623/13 B ER ermittelte das Beschwerdegericht lediglich schwankende Blutdruckwerte beim Hausarzt und unauffällige Befunde anlässlich der letzten internistischen Untersuchung im Frühjahr 2010. Das Eilverfahren blieb für den Antragsteller ohne Erfolg, ebenso Klage und Berufung gegen den Eingliederungsverwaltungsakt (Urteil vom 23.10.2014, L 7 AS 746/13) und einen gesonderten Zuweisungsbescheid für eine Tätigkeit gegen Mehraufwandsentschädigung (Urteil vom 23.10.2014, L 7 AS 747/13). An der zugewiesenen Tätigkeit hatte der Antragsteller nicht teilgenommen, weil dies wegen seines Bluthochdrucks nicht möglich gewesen sei. Von 01.11.2013 bis 31.05.2014 erfolgten keine weiteren Bemühungen zur Eingliederung in Arbeit, weil der Antragsteller in einer JVA inhaftiert war.
Nach mehreren Anläufen unterschrieben die Beteiligten die Eingliederungsvereinbarung vom 23.04.2015. Als Leistungen des Antragsgegners wurde vereinbart, dass dem Antragsteller eine gesundheitliche Stabilisierungsphase bis einschließlich Juni 2015 eingeräumt wird und nachfolgend eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung unter Berücksichtigung der vorhandenen gesundheitlichen Einschränkungen zugewiesen wird. Der Antragsteller verpflichtete sich zur Vorlage einer kompletten Bewerbungsmappe, den Antragsgegner ggf. über einen längerfristigen stationären Aufenthalt sowie über einen Antrag auf medizinische Reha/Kur und das Ergebnis dieses Antrags zu informieren, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen unaufgefordert einzureichen und nach Zuweisung zur Teilnahme ...