Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Aufhebung der Bewilligung wegen Verzuges bei der Ratenzahlung. Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen den Aufhebungsbeschluss

 

Leitsatz (amtlich)

I. Hebt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle eine PKH Bewilligung wegen Verzuges mit der Ratenzahlung gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO auf, ist dagegen nur die Erinnerung zulässig. Der die Erinnerung zurückweisende richterliche Beschluss des SG ist unanfechtbar gemäß § 73a Abs. 8 SGG.

II. Die Anordnung der Endgültigkeit der gerichtlichen Entscheidung in § 73a Abs. 8 SGG ist nicht auf die Fälle des Beschwerdeausschlusses nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG (in teleologischer Auslegung) beschränkt und damit deklaratorisch (entgegen Straßfeld, SGb 2014, S. 236 ff., S. 241). Andernfalls drohen Wertungswidersprüche angesichts der bewussten gesetzgeberischen Entscheidung zur Übertragung von Aufgaben an den Urkundsbeamten zur Entlastung der Richter mit Neugestaltung der Rechtsbehelfe.

Zur Anwendbarkeit des § 73 a Abs. 8 SGG im Falle der Aufhebung der PKH Bewilligung wegen fehlender Ratenzahlung nach § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO.

 

Normenkette

SGG § 73 Abs. 8, § 172 Abs. 3 Nr. 2; ZPO § 124 Abs. 1 Nr. 5; FGO § 142 Abs. 7; VwGO § 166 Abs. 6; GG Art. 19 Abs. 4

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 28.01.2016 wird verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Dem Kläger wurde mit Beschluss vom 29.10.2014 im Klageverfahren unter dem Az. S 23 U 356/14 Prozesskostenhilfe (PKH) mit einer monatlichen Zahlungsverpflichtung in Höhe von 60,- Euro bewilligt. Der Urkundsbeamte wies den Kläger mit Schreiben vom 27.03.2015 auf den seit Dezember 2014 bestehenden Zahlungsrückstand und die Möglichkeit der Aufhebung der PKH-Bewilligung hin und erinnerte an die Stellungnahme mit Schreiben vom 17.07.2015. Der Klägerbevollmächtigte trug mit Schreiben vom 10.08.2015 eine Änderung der Einkommensverhältnisse seit März 2015 vor. Weder der Bevollmächtigte noch der Kläger legten trotz Fristverlängerung und Erinnerung die mit Schreiben vom 13.08.2015 angeforderten Unterlagen vor; sie beantworteten die zu den finanziellen Verhältnissen gestellten Fragen nicht. Daraufhin hob die Urkundsbeamtin mit Beschluss vom 16.10.2015 die bewilligte PKH gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO auf. Die Vorsitzende wies die Erinnerung des Klägers vom 23.11.2015 mit Beschluss vom 28.01.2016 zurück.

Zwischenzeitlich war das Klageverfahren am 11.08.2015 mit Vergleich beendet worden, wonach der Kläger Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. ab 02.03.2015 auf unbestimmte Zeit erhielt und die Beklagte ihm die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten erstattete.

Mit Schreiben vom 02.03.2016 forderte der Urkundsbeamte vom Kläger die an den früheren Klägerbevollmächtigten gezahlte Vergütung in Höhe von 197,84 Euro zurück. Auf die Möglichkeit, gegen diese Entscheidung beim SG Erinnerung gemäß § 59 Abs. 2 Satz 4 RVG i.V.m. § 66 GKG einzulegen, wurde hingewiesen.

Am 03.03.2016 ging ein nicht unterzeichnetes Schreiben des Klägers beim SG ein, mit dem er gegen das Schreiben vom 02.03.2016 "Widerspruch" einlegt. Er habe sämtliche benötigten Unterlagen, die er besessen habe, "reingegeben". Er verstehe nicht, warum seine Unterlagen nicht gegolten hätten. Dieses Schreiben hat das SG als Beschwerde gegen den Beschluss vom 28.01.2016 ausgelegt und an das Bayerische Landessozialgericht (LSG) weitergeleitet. Der Kläger hat telefonisch insbesondere darauf hingewiesen, dass sein Konto gepfändet worden sei, er nicht mehr über sein Geld verfügen könne und dass er Nachweise über Arbeitslosengeld II nachreichen könne, wenn diese benötigt würden.

II.

A) Soweit das Schreiben des Klägers als Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 28.01.2016 ausgelegt wird, ist die Beschwerde schon nicht statthaft. Denn nach § 73a Abs. 8 SGG entscheidet das SG endgültig, wenn es gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach § 73a Abs. 5 SGG i.V.m. §§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG, 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO angerufen wird.

Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31.08.2013 (BGBl. I S.3533) zur Entlastung des Richters bewusst dem Urkundsbeamten bestimmte Aufgaben im Rahmen der PKH-Bewilligung übertragen, u.a. die Aufhebung einer Bewilligung nach § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO bei Verzug mit der Ratenzahlung. Als Rechtsbehelf gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten hat der Gesetzgeber zugleich in § 73a Abs. 8 SGG als besondere Regelung gerade nicht die Beschwerde an das Landessozialgericht vorgesehen, sondern eine Erinnerung an das Gericht derselben Instanz, das endgültig entscheidet.

Die aufgegriffene Formulierung "endgültig entscheidet" wird im SGG als Ausdruck der Unanfechtbarkeit und Ausschluss der Beschwerde verwendet (vgl. Böttiger in Breitkreuz/Fichte, Kommentar zum SGG, 2. Auflage 2014, zu § 172 RdNr. 41; vgl. u.a. zu § 197 Abs. 2 SGG Leitherer in Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer...

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