Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der Beschwerde. Berichtigung eines gerichtlichen Vergleichs. analoge Anwendung von § 138 S 1 SGG. Voraussetzungen. materiell-rechtliche Unrichtigkeit. Widersprüchlichkeit des Wortlauts des Vergleichstextes. klare Erkennbarkeit. Berichtigung des Protokolls. Mitwirkende

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erfolgt die Berichtigung eines Prozessvergleichs in analoger Anwendung des § 138 SGG, ist der Beschluss mit der Beschwerde anfechtbar.

2. Sofern zwischenzeitlich ein Vorsitzendenwechsel stattgefunden hat, haben an dem Berichtigungsbeschluss auch der vorige Vorsitzende und der Protokollführer mitzuwirken.

3. Sofern ein richtig beurkundeter Prozessvergleich auf einer materiell-rechtlich unzutreffenden Grundlage beruht, kommt die Berichtigung nur dann in Betracht, wenn der Wortlaut des Vergleichstextes als solcher widersprüchlich und dies auch für Unbeteiligte klar erkennbar ist.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 8. Juli 2008 aufgehoben.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der zwischen den Beteiligten am 10. April 2008 vor dem Sozialgericht Augsburg (SG) geschlossene Vergleich zu berichtigen war.

Mit der beim SG am 27. August 2007 erhobenen Klage wandte sich die Beschwerdeführerin (BF) gegen den Rentenbescheid des Beschwerdegegners (BG) vom 15. Dezember 2006 (Widerspruchsbescheid vom 9. August 2007), mit dem Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum ab 1. Januar 2002 in Höhe von 2.723,27 EUR zurückgefordert wurden. Die Bf begehrte, den Bescheid aufzuheben, soweit Beitragsanteile für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2003 zurückgefordert wurden. Im Zuge der mündlichen Verhandlung am 10. April 2008 regte der damals zuständige Vorsitzende der Kammer eine Beendigung des Rechtsstreits auf der Grundlage einer mit Wirkung ab 1. Januar 2003 geltend gemachten Nachforderung der Beiträge an. Die Beteiligten schlossen daraufhin folgenden Vergleich:

"1. In Abänderung des Bescheides vom 15. Dezember 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2007 sind sich die Beteiligten darüber einig, dass die Klägerin an die Beklagte einen Betrag von 1.764,11 EUR zu zahlen hat.

2. Die Klägerin wird den Betrag der Beklagten auf das im Anhörungsschreiben vom 13. Dezember 2006 genannte Konto bis spätestens 30. April 2008 in einer Summe überweisen.

3. Die Beklagte übernimmt auf der Grundlage der Mittelgebühr die außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens der Klägerin.

4. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass mit Abschluss dieses Vergleichs der Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt ist."

Der Vergleich wurde vorgelesen und von den Beteiligten genehmigt.

Am 9. Mai 2008 beantragte die BG Berichtigung dieses Vergleichs. Die Beteiligten hätten einen Vergleich dahingehend schließen wollen, dass die Klage insoweit begründet gewesen sei, als von der BG nicht schon ab 1. Januar 2002, sondern ab 1. Januar 2003 die von ihr geschuldeten Beiträge nachgefordert werden dürften. Die BF habe im Schriftsatz vom 4. Dezember 2007 das Klagebegehren insoweit eingeschränkt. Es sei in der mündlichen Verhandlung ein Rechen- bzw. Übertragungsfehler unterlaufen und für das Jahr 2002 zu Gunsten der BF ein Abzug von 959,16 EUR vorgenommen worden. In dieser Summe seien versehentlich auch 503,16 EUR Anteile aus den Zuschüssen zur Krankenversicherung für 2002 enthalten, deren Erstattung die BG von der BF nie gefordert habe und die daher auch nicht Gegenstand des Vergleichs hätten sein können. Tatsächlich hätte der Abzug zu Gunsten der BF 456,00 EUR betragen müssen. Die von der BF aufgrund des vom Gericht vorgeschlagenen Vergleichs zu erstattende Summe hätte mithin nicht 1.764,11 EUR, sondern 2.267,27 EUR ausgemacht. Die BF erklärte sich mit einer Berichtigung des Vergleichs nicht einverstanden. Es liege insbesondere kein Rechenfehler vor, den das SG berichtigen könne. Der Vergleich sei vom BG in Kenntnis sämtlicher Umstände des Falles und des genauen Rückzahlungsbetrages geschlossen worden.

Das SG entschied durch Beschluss vom 8. Juli 2008, gestützt auf § 138 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der Vergleich vom 10. April 2008 sei in Ziffer 1 dahingehend zu berichtigen, dass die BF an den BG einen Betrag von 2.267,27 EUR zu zahlen habe. Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil seien jederzeit von Amts wegen zu berichtigen. Eine Berichtigung sei nicht nur bei Urteilen, sondern auch bei Prozessvergleichen möglich. Der am 10. April 2008 geschlossene Vergleich sei offenbar unrichtig. Es sei zu klären gewesen, ob ein Rückforderungsanspruch bezüglich der überzahlten Rente bereits ab dem 1. Januar 2002 oder ab dem 1. Januar 2003 gegeben sei. Aufgrund der Auskünfte der BF sowie der Hinweise des Vorsitzenden der Kammer seien sich die Beteiligten im Ergebnis darüber einig gewesen, dass eine Rückzahlungsverpflichtung erst ab dem 1. Januar 2003 greife. Bei der Berechnung des exakten Rückzahlungsbetrages...

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