Entscheidungsstichwort (Thema)
Mittagsverpflegung für Schüler. Bedarf für Bildung und Teilhabe. Mittagessen in der Schule. Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung
Leitsatz (amtlich)
Mehraufwendungen für die Mittagsverpflegung von Schülern werden im Rahmen von § 28 Abs. 6 SGB II und § 6b BKGG übernommen, damit diese am sozialen Leben in der Schulgemeinschaft teilnehmen können.
Die Kosten selbst organisierter Mittagsverpflegung von Schülern können weder aus religiösen Gründen noch aus gesundheitlichen Gründen übernommen werden.
Eine Auszahlung der Mehrkosten an den Anspruchsteller ist auch wegen § 29 SGB II ausgeschlossen, der nur personalisierte Gutscheine oder Direktzahlungen gestattet.
Normenkette
SGB II § 21 Abs. 5, § 28 Abs. 1 S. 1, Abs. 6; BKGG § 6b
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 9. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Streitig ist, ob dem Antragsteller aus religiösen oder gesundheitlichen Gründen ein Anspruch auf Übernahme der Kosten einer selbst organisierten Mittagsverpflegung für seine an einer Schule befindlichen Kinder nach § 6b Bundeskindergeldgesetz (BKGG) zusteht.
Der 1939 geborene Antragsteller und Beschwerdeführer lebt zusammen mit seiner 1969 geborenen Ehefrau und den beiden 1998 und 2000 geborenen Kindern. Als Einkommen bezieht die Familie die Altersrente des Antragstellers, Kindergeld und Wohngeld.
Die beiden Kinder besuchen ein staatliches Gymnasium. An der dortigen Mensa werden täglich zwei Gerichte, darunter ein vegetarisches Gericht angeboten.
Im März 2011 beantragte der Antragsteller Leistungen für Bildung und Teilhabe. Mit Bescheid vom 19.04.2011 bewilligte die Antragsgegnerin Übernahme der Kosten für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung für beide Kinder. An die Schule wurden Kostenübernahmeerklärungen übermittelt. Auf die Frage nach einer Bestätigung der Schule über die Teilnahme an der Mittagsverpflegung teilte er am 25.05.2011 telefonisch mit, dass seine Kinder regelmäßig am Mittagessen teilgenommen und das Essen in der Schule in bar bezahlt hätten.
Anfang August 2011 beantragte der Antragsteller, die Leistungen für die Mittagsverpflegung ausgezahlt zu bekommen. Ein Sohn habe eine Lebertransplantation gehabt und dürfe kein Schweinefleisch essen. Unterlagen hierzu wurden trotz schriftlicher Aufforderung seitens des Antragsgegners nicht vorgelegt. Auch aus religiösen Gründen würden die Kinder kein Schweinefleisch essen. Zwar biete die Schule täglich ein vegetarisches Gericht an, seine Kinder würden aber grundsätzlich keine vegetarischen Gerichte essen. Die Kinder würden nicht mehr an den Schulessen teilnehmen. Das Essen würde selbst organisiert werden über einen externen Heimservice (Imbiss oder Gaststätte). Seine Kinder würden auch in diesem Fall mit anderen Kindern gemeinsam essen.
Mit Schreiben vom 28.09.2011 wurde der Antrag auf Direktauszahlung abgelehnt und die bisherige Bewilligung aufgehoben. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht ersichtlich.
Am 07.10.2011 stellte der Antragsteller beim Sozialgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Es sei unbedingt nötig, die Mittagsverpflegung eines externen Anbieters ohne Schweinefleischprodukte zu beschaffen. Die Kinder würden gekochtes vegetarisches Essen ablehnen. Die Kosten hierfür seien in Höhe des Regelsatzes vom Antragsgegner zu tragen. Er sei nicht in der Lage, die dringend erforderliche gesunde Ernährung für seine Kinder zu finanzieren. Der Antragsteller legte ein Attest eines Klinikums vom 02.11.2011 vor. Danach solle der im Jahr 2000 geborene Sohn als Lebertransplantierter kein Schweinefleisch, keine Rohkost, keinen Rohmilchkäse und keine Nüsse zu sich nehmen. Diese Nahrungsmittel könnten zu einer Gefährdung des Kindes führen. Ein Besuch der Schulkantine sollte deshalb unterbleiben. Daneben wurde ein Medikamentenplan für den Sohn vom September 2009 übersandt. Der Antrag wurde zunächst als sozialhilferechtliche Streitigkeit geführt (S 19 SO 523/11 ER).
Mit Beschluss vom 09.12.2011 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Der Ablehnungsbescheid vom 29.08.2011 sei mangels einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht bestandskräftig geworden. Die Kosten für gesundes Essen der Kinder sei kein zulässiger Streitgegenstand, weil der Antragsteller einen Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung bei der Verwaltung noch nicht geltend gemacht habe.
Es bestehe kein Anordnungsanspruch für die Auszahlung der Kosten der Mittagsverpflegung. Leistungen für Bildung und Teilhabe für ein Kind gemäß § 6b BKGG entsprächen gemäß Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift den Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Absatz 2 bis 7 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Nach § 6b Abs. 3 BKGG gelte auch § 29 SGB II.
Die Mehraufwendungen für die Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung würden für Schüler nach ...