Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung: Entziehung einer vertragsärztlichen Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzung

 

Orientierungssatz

1. Eine Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung wegen gröblicher Verletzung kassenärztlicher Pflichten ist nicht deshalb unzulässig, weil dieselben Pflichtverletzungen bereits Gegenstand von Disziplinarmaßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigung waren.

2. Vorliegende bestandskräftige Entscheidungen anderer Gerichte können bei der Frage des Vorliegens einer gröblichen Pflichtverletzung berücksichtigt werden (vgl. BSG, 5. Mai 2010, B 6 KA 32/09 B, BSG, 2. April 2014, B 6 KA 58/13 B). Grundsätzlich gilt dies auch für staatsanwaltschaftliche und polizeiliche Ermittlungsergebnisse, auch wenn insoweit die Rechtskraft noch nicht eingetreten ist (so auch LSG Erfurt, 20. November 2017, L 11 KA 807/16 ).

3. Pflichtverletzungen, die länger als die übliche Bewährungszeit von fünf Jahren zurückliegen, können noch zur Grundlage einer Zulassungsentziehung gemacht werden, wenn sie Fälle systematischen Fehlverhaltens im Behandlungs- und Abrechnungsbereich darstellen und damit gravierend sind (vgl. BSG, 19. Juli 2006, B 6 KA 1/06 R, BSG, 15. August 2012, B 6 KA 15/12 B).

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 3. November 2016, S 1 KA 24/15, wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2), zu tragen. Die Kosten der übrigen Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.

Der 1967 geborene Kläger und Berufungskläger (Kläger) wurde zum 01.07.2000 als Augenarzt am Vertragsarztsitz in A-Stadt, A-Straße, in Einzelpraxis zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Beigeladene zu 1) erteilte dem Kläger mit Bescheid vom 14.09.2000 die Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von ambulanten Operationen und sonstigen stationsersetzenden Eingriffen einschl. Anästhesien im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung für die Betriebsstätte A-Straße, A-Stadt und zusätzlich mit Bescheid vom 07.06.2001 für ausgelagerte Praxisräume in der S-Straße, A-Stadt. Mit Änderungsanzeige vom 01.12.2006 teilte der Kläger mit, dass er ab dem 01.01.2007 zusätzlich in der M-Klinik, C-Stadt operieren würde. Mit weiterer Änderungsanzeige vom 20.02.2009 zeigte der Kläger eine OP-Tätigkeit in der Praxis P., A-Straße, C-Stadt ab 31.01.2009 an.

Gegenüber dem Kläger war es in der Vergangenheit wiederholt zu sachlich-rechnerischen Berichtigungen aufgrund von Plausibilitätskontrollen gekommen.

Diesen lag zum einen ein Sachverhalt im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Kooperation des Klägers mit einer augenärztlichen Vertragsarztpraxis in H-Stadt zugrunde ("Komplex H-Stadt"). Der Kläger hatte beabsichtigt, mit einer augenärztlichen Praxis in H-Stadt (Praxis Dr. A.) eine KV-übergreifende Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) zu gründen. Der Antrag auf Genehmigung dieser üBAG war letztlich erst nach dem Verfahren vor dem Berufungsausschuss Ärzte Bayern (Beschluss vom 29.01.2008) erfolgreich. Zwischenzeitlich stellte der Kläger einen Antrag auf Zulassung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in H-Stadt mit zwei angestellten Ärzten (Dr. A. - Augenärztin - und Dr. D. - Anästhesist -). Dem Antrag des Klägers, ihn selbst im MVZ mit 12 bis 16 Wochenstunden anzustellen, gab der Zulassungsausschuss H-Stadt nicht statt, genehmigte aber das MVZ sowie die Anstellungen von Dr. A. und Dr. D. (Beschluss vom 07.05.2008) mit Wirkung zum 01.07.2008. Die üBAG wurde daraufhin zum 30.06.2008 aufgelöst, weil Dr. A. bereits zugunsten der Anstellung im MVZ auf ihre Zulassung in H-Stadt verzichtet hatte. Um seine Praxis in A-Stadt trotz der Tätigkeiten in H-Stadt aufrecht zu erhalten, beschäftigte der Kläger in seiner Praxis in A-Stadt ärztliche Mitarbeiter, allerdings weitgehend ohne Genehmigung der Beigeladenen zu 1). Mit Bescheid vom 05.07.2011 (bestandskräftig, Widerspruchsbescheid vom 29.01.2014) hatte die Beigeladene zu 1) wegen der Beschäftigung nicht genehmigter ärztlicher Mitarbeiter die Honorare für die Quartale 1/2007, 2/2007, 4/2007 - 3/2008, 1/2009 und 2/2009 sachlich rechnerisch berichtigt mit der Folge einer Honorarrückforderung in Höhe von 125.035,22 Euro. Im Rahmen einer weiteren Plausibilitätsprüfung für die Quartale 2/2007 - 2/2009 ("Komplex H-Stadt") wegen Patienten, die in H-Stadt behandelt, aber unter der HNR xxx (Einzelpraxis des Klägers in A-Stadt) zur Abrechnung gebracht wurden, kam es zu einer Honorarrückforderung in Höhe von 99.814,- Euro. Hinsichtlich dieses Betrages unterzeichneten der Kläger und die Beigeladene zu 1) eine Rückzahlungsvereinbarung.

Mit bestandskräftigem Bescheid des Disziplinarausschusses der KVB vom 14.08.2014 wurde gegen den Kläger aufgrund der vorgenannten Sachverhalte im Zusammenhang mit den Plausibilitätsprüfungen wegen Verletzu...

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