Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Anspruch auf postbariatrische plastische Operationen an den Oberarmen und der Brust. keine Vergleichbarkeit mit einer Brustrekonstruktion bei Mammakarzinom
Leitsatz (amtlich)
1. Überschüssige Haut an Brüsten und Oberarmen aufgrund Gewichtsverlustes nach einer bariatrischen Operation stellt für sich genommen keinen krankhaften Befund dar.
2. Grundsätzlich sind dermatologische Erkrankungen mit den Mitteln dieser Fachrichtung zu behandeln. Nur wenn trotz über einen längeren Zeitraum erfolgter fachdermatologischer Behandlung kein Erfolg erzielt werden kann, ist zu prüfen, ob als ultima ratio ein Anspruch auf Hautstraffung besteht.
3. Hautüberschüsse aufgrund einer Gewichtsreduktion nach einer bariatrischen Operation sind nicht mit einer Brustrekonstruktion bei Mammakarzinom vergleichbar. Im einen Fall geht es um den Ausgleich der unmittelbaren Folgen der Krankenbehandlung an dem erkrankten und von der Behandlung betroffenen Organ (Brust) und im anderen Fall um den mittelbaren Ausgleich an einem zunächst von der Krankheit (Adipositas) bzw deren Behandlung (bariatrische Operation) nicht betroffenen Organ (Haut).
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 07.05.2018 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 03.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2016 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf zwei postbariatrische plastische Operationen an den Oberarmen und der Brust als Sachleistung hat.
Bei der im Jahr 1952 geborenen Klägerin wurde am 26.06.2014 zu Lasten der Beklagten eine Magenbypassoperation durchgeführt. Das Körpergewicht der Klägerin von früher 125 kg hat sich seitdem bei rund 80 kg stabilisiert.
Am 19.10.2015 reichte die Klägerin medizinische Unterlagen bei der Beklagten ein, mit denen sie postbariatrische plastische Straffungskorrekturen an Bauchdecke, Oberarmen, Oberschenkeln, Brust und Gesäß beantragte:
* In dem Bericht des Universitätsklinikums E. (Plastisch- und Handchirurgische Klinik) vom 09.10.2015 wurde als Therapieempfehlung ein mehrzeitiges Vorgehen vorgeschlagen, nämlich eine Abdominalplastik in inverser T-Schnitt-Technik mit Nabeltransposition, eine Oberarmstraffung beidseits, eine Oberschenkelstraffung beidseits, eine modifizierte Bruststraffung mit Autoaugmentation nach Rubin beidseits sowie eine Gesäßstraffung. Die Klägerin habe fünf Kinder, die sie nicht gestillt habe. Aufgrund der massiven Gewichtsreduktion von ca. 45 kg bestehe nun eine generalisierte Lipomatose mit ausgeprägten Haut-/Weichteilüberschüssen, insbesondere im Bereich des Abdomens, der Oberarme beidseits, der Oberschenkel beidseits sowie des Gesäßes. Zudem bestehe eine ausgeprägte Ptosis beider Brüste (Grad III nach Regnault). Die Mamillen-Areola-Komplexe befänden sich auf Höhe der Ellenbeuge. Der Jugulum-Mamillen-Abstand betrage rechts 29,5 cm und links 30 cm. Die Auflagefläche betrage rechts 15 x 11 cm und links 15 x 10 cm. Insbesondere in den Unterbrustfalten zeige sich das Integument deutlich gerötet als Zeichen von aktiven und abgelaufenen Entzündungen. Im Bereich des Gesäßes und der unnatürlich ausgeprägten Gesäßfalte aufgrund des massiven Haut-/Weichteilüberschusses bestünden zum Untersuchungszeitpunkt teils offene Wunden mit chronischem Umgebungsreiz im Sinne einer Rötung. Die Klägerin berichte, aufgrund dieser Haut-/Weichteilüberschüsse unter rezidivierenden Hautausschlägen zu leiden. Zudem bestehe laut Klägerin eine ausgeprägte Schweißneigung sowie ein Jucken und Reiben in den genannten Arealen, wodurch die Klägerin funktionell sowie in ihrem Alltag stark eingeschränkt sei. Aus plastisch-chirurgischer Sicht sei die medizinische Indikation für vorgenannten Therapieempfehlungen gegeben, um eine möglichst dauerhafte Behebung der Beschwerden zu erzielen.
* Vorgelegt wurde ferner ein Bericht des Facharztes für Plastische und Ästhetische Chirurgie Dr. H. vom 25.06.2015 "zur Vorlage bei der Krankenkasse" über eine dortige Vorstellung der Klägerin am 24.06.2015, in dem als Therapie eine Abdominalplastik konventionell, Fasziendoppelung, Nabelneuformung und Schamhügellift empfohlen wurden, ferner eine Bruststraffung beidseits, eine Oberarmstraffung beidseits, eine Oberschenkelstraffung beidseits sowie ein Gesäßlifting beidseitig zur Komplettierung. Die Operationen würden im R.-Krankenhaus in S-Stadt mit einer Liegezeit zwischen fünf und sieben Tagen unter stationären Bedingungen erfolgen. Die Klägerin beklage die Bauchfettschürze, die Hängebrüste beidseits und die Hautmantelüberschüsse an beiden Oberarmen, Flanken, Oberschenkeln und am Gesäß. Durch die feuchte Kammerbildung im Nabel und in der Unterbauch- und Unterbrustfalte käme es laut Klägerin zu Rötungen, Juckreiz und Entzündungen. Die Rumpfbeweglichkeit sei deutlich eingeschränkt. Die BH-Träger ...